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Experten sind alarmiert: Neues China-Virus nur "einen kleinen Schritt" von einer Pandemie entfernt

Chinesische Forscher haben das Virus HKU5-CoV-2 in Fledermäusen untersucht. Bild: picture alliance/dpa/AP | Matias Delacroix

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  • Chinesische Wissenschaftler haben das Virus "HKU5-CoV-2" untersucht
  • Laut ihnen hat das Virus das Potenzial, auch Menschen zu infizieren
  • Wenige Mutationen könnten das Virus zur Pandemie-Gefahr machen

Bereits bei der bloßen Nennung des Namens des neuen Virus werden Erinnerungen an die Corona-Pandemie geweckt: Eine chinesische Forschergruppe untersucht derzeit ein Corona-Virus namens "HKU5-CoV-2", das aktuell neue Potenziale zeigt. So kann es an denselben Zellrezeptor andocken wie sein entfernter Verwandter Sars-CoV-2. Genau über diesen Weg breitete sich das Virus schon damals aus.

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In der kürzlich im Fachmagazin "Cell" veröffentlichten Studie der chinesischen Forscher warnen Autorin Shi Zheng-Li, genannt "Batwoman", und ihr Team vor einem "hohen Risiko der Übertragung auf den Menschen, entweder durch direkte Übertragung oder durch Zwischenwirte". Müssen wir uns nun Sorgen um eine neue Pandemie machen?

Fledermäuse sind erneut Überträger eines gefährlichen Virus

Das Coronavirus HKU5-CoV-2 ist ein Coronavirus aus der Gruppe der Merbecoviren, zu der auch das Mers-Virus gehört. In der Studie der Forschergruppe um Shi Zheng-Li heißt es über diese Art von Viren: "Fledermaus-Merbecoviren, die phylogenetisch mit Mers-CoV verwandt sind, bergen ein hohes Risiko der Übertragung auf den Menschen, entweder durch direkte Übertragung oder durch Zwischenwirte." Dabei können eine Vielzahl von Nutztieren, unter anderem Pferde und Schweine, als Zwischenwirte für das Virus fungieren. Während viele der Krankheiten, die Fledermäuse übertragen können, für sie selbst ungefährlich sind und auf natürliche Weise unter den Tieren zirkulieren, sind sie für Menschen oft schädlich. Neben den Coronaviren sind Fledermäuse oft auch Überträger von Tollwut, dem Nipah- und dem Hendra-Virus sowie Histoplasmose, eine Art Pilzinfektion.

Eng verwandt mit tödlichem Virus ohne bekannte Impfung

Das Virus sei keine neue Entdeckung, sagt Virologe Timo Ulrichs auf Nachfrage von "Focus Online". "Wir wissen bereits seit 2006 von seiner Existenz. Aber nun konnte nachgewiesen werden, dass sich das Virus verändert hat und mit seinen Oberflächenmolekülen auch menschliche Strukturen erkennen kann". Es gibt hunderte von Coronaviren, doch nur die wenigsten sind tatsächlich in der Lage, auch Menschen zu infizieren. Darunter sind unter anderem Sars, Sars-CoV-2 (das Virus, das Covid-19 verursacht) und Mers (Middle East Respiratory Syndrome). Letzteres ist berüchtigt dafür, dass es über Kamele übertragen wird und dass etwa ein Drittel derjenigen, die sich infizieren, daran sterben. Eine Impfung gibt es nicht.

Eng verwandt mit dem Mers-Virus ist tatsächlich das Virus HKU5-CoV-2 - denn wie die Forscher in der Studie beschreiben, gehören beide zur Gruppe der Merbecoviren. Was das Virus HKU5-CoV-2 von anderen unterscheidet: Es nutzt denACE2-Rezeptor, um Organismen zu infizieren - ganz genau wie Sars-CoV-2. Auch das Erkältungsvirus NL63 nutzt diese Bindungsstelle und kann Menschen infizieren. Allerdings bleibt zu beachten, dass die Beobachtungen der chinesischen Wissenschaftler sich im Labor abspielten. Bisher wurde nur gezeigt, dass HKU5-CoV-2 menschliche Zellen in den von den Wissenschaftlern verwendeten Mini-Organmodellen infizieren konnte.

Meinungen der Spezialisten gehen auseinander

"Das Virus hat ein höheres Krankheitspotential als Sars-CoV-2 und gleicht darin eher den Mers-Viren", sagt Professor Ulrichs. "Es sollte also besser nicht auf den Menschen übergehen." Laut der Nachrichtenagentur Reuters stellen die Autoren der Studie selbst in ihren Ergebnissen fest, dass das Virus eine geringere Bindungsaffinität zu menschlichem ACE2 auf als Sars-CoV-2. Gleichzeitig wiesen auch weitere Faktoren darauf hin, dass das Risiko einer größeren Infektionswelle oder gar einer Pandemie "nicht übertrieben werden sollte". Epidemiologe Ulrichs sieht die Lage bisher noch entspannt: "Ob es das Potenzial hat, von der Fledermaus möglicherweise über Zwischenwirte auf den Menschen überzugehen, wissen wir nicht. Und auch nicht, ob es dann lernen kann, sich von Mensch zu Mensch zu übertragen. Wahrscheinlich ist es eher gering."

Anders sieht es der US-Virologe Michael Letko, der an der Washington State University mit einem Team die Fähigkeit des Virus, Menschen zu infizieren, untersucht hat. Sein Fazit: "HKU5-Viren sind möglicherweise nur noch einen kleinen Schritt davon entfernt, auf den Menschen überzuspringen." Das Hauptproblem stellen laut den Spezialisten Mutationen dar. Diese könnten sich verbreiten, sollte es dem Virus gelingen, auf Tiere überzuspringen, die näher mit dem Menschen verwandt sind. Wurden solche Tiere erst einmal infiziert, könnte das Virus erneut mutieren, um sich noch besser an den Menschen anzupassen.

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