"Nur noch Urlaubsmenschen": Generationenforscher fordert Pflichtdienst für Senioren
Jugendforscher Klaus Hurrelmann kritisierte gegenüber dem Spiegel das abrupte Ende der Erwerbstätigkeit durch die Rente. Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen
Erstellt von Felix Schneider
01.08.2025 14.40
- Jugendforscher Klaus Hurrelmann diskutiert deutsches Renten-Modell
- Gewagte These: Die Rente sei eine ungerechte und zu große Belastung für junge Menschen
- Der Wissenschaftler will leistungsfähige Senioren in die Wirtschaft einbinden
Der 81-jährige Soziologe und Generationenforscher Klaus Hurrelmann hat einen sozialen Pflichtdienst für Senioren am Ende ihrer beruflichen Laufbahn gefordert. Im Gespräch mit dem "Spiegel" kritisierte er die ungleiche Verteilung gesellschaftlicher Lasten zwischen den Generationen. "Von den Jungen zu erwarten, dass sie im Ernstfall allein das Land verteidigen, ist nicht gerecht", erklärte Hurrelmann.
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Soziologe kritisiert: Junge zahlen für "Rentner-Urlaub"
Der Soziologe untermauerte seine Forderung mit konkreten Argumenten zur Generationengerechtigkeit. Junge Menschen trügen bereits heute erhebliche finanzielle Lasten für die ältere Generation. Sie finanzierten das Rentensystem, ohne Gewissheit zu haben, später selbst davon profitieren zu können. Gleichzeitig müssten sie die enormen Schulden abtragen, die der Staat anhäufe.
Hurrelmann kritisierte das abrupte Ende der Erwerbstätigkeit vieler Senioren. Trotz guter Gesundheit würden sich viele mit Anfang 60 komplett aus dem Arbeitsleben zurückziehen. Der Wissenschaftler plädierte für flexiblere Modelle, bei denen leistungsfähige Ältere weiterhin gesellschaftliche Aufgaben übernehmen könnten. Dies könne sowohl im sozialen Bereich als auch bei der Landesverteidigung erfolgen.
Psychische Belastung der jungen Generation steigt
Hurrelmann verwies auf die zunehmenden Belastungen junger Menschen durch verschiedene Krisen. Viele litten unter politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Herausforderungen. "Da ist eine Ohnmacht, ein Gefühl von Überwältigung", beschrieb der Forscher die Situation. Verschiedene Studien belegten ein hohes Maß an subjektiv empfundenem Stress und Ängsten sowie eine Zunahme psychischer Störungen.
"Jung sein ist heute sehr anstrengend", betonte der 81-Jährige. Einen Teil der Verantwortung sah er in der Erziehung. Viele Eltern hätten ihre Kinder überbehütet und vor allen Gefahren abschirmen wollen. Gleichzeitig seien manche Erziehungsberechtigte selbst von den aktuellen Ereignissen überfordert. Hurrelmann schätzte, dass etwa ein Drittel der Eltern erschöpft und an der Grenze ihrer Möglichkeiten sei.
Boomer-Soli befeuert die Generationendebatte
Hurrelmanns Vorstoß erfolgt inmitten einer intensiven Diskussion über Generationengerechtigkeit. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte kürzlich einen Rentner-Solidaritätsmechanismus ins Gespräch gebracht. Diese Sonderabgabe von zehn Prozent auf höhere Alterseinkünfte soll die Rentenkasse entlasten, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen.
DIW-Experte Peter Haan argumentierte, es sei unfair, die Kosten des demografischen Wandels hauptsächlich den jüngeren Generationen aufzubürden. Kritiker warnen jedoch vor einer Verschärfung der Generationenkonflikte durch solche Maßnahmen. Sie befürchten, dass sowohl der vorgeschlagene Boomer-Soli als auch Hurrelmanns Pflichtdienst-Idee neue Ungerechtigkeiten schaffen und die gesellschaftliche Spaltung zwischen Alt und Jung vertiefen könnten.
"Ich habe eine Bringschuld" - Rentner in der Schuld?
Der 81-jährige Hurrelmann sieht sich selbst als Teil der 68er-Generation in der Verantwortung. "Ich habe mein Leben lang vom Staat profitiert. Da spüre ich eine gewisse Bringschuld", erklärte er dem "Spiegel". Der Professor für Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin warnte vor einer wachsenden Kluft zwischen den Generationen.
In vielen Organisationen wie Parteien oder Kirchen liege das Durchschnittsalter bei etwa 60 Jahren, während junge Menschen hauptsächlich digital kommunizierten. Der Austausch zwischen den Altersgruppen nehme ab - und damit auch das gegenseitige Verständnis. Hurrelmanns Pflichtdienst-Vorschlag als Antwort auf den demografischen Wandel wird in diesem Zusammenhang jedoch kontrovers diskutiert.
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