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Katherina Reiche: Läutet sie als Habeck-Nachfolgerin die Wende ein? Das erhoffen sich Experten

Katherina Reiche soll neue Wirtschaftsministerin werden. Bild: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

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  • Katherina Reiche soll im Merz-Kabinett Wirtschaftsministerin werden
  • Wirtschaftsexperten schätzen die Personalie ein
  • Große Erwartungen an designierte Wirtschaftsministerin

Katherina Reiche (51) soll als neue Bundesministerin für Wirtschaft und Energie die Nachfolge von Robert Habeck antreten. Sie übernimmt das Amt des Grünen-Politikers in Krisenzeiten. Vor ihr liegen einige Weichen, die sie stellen muss. Kann ihr das gelingen? Wirtschaftsexperten hegen hohe Erwartungen an die designierte Ministerin.

Wirtschaftsvertreter hegen Hoffnungen: Habeck-Nachfolgerin als wichtiges "Signal"

Die designierte Ministerin kombiniere sowohl politische als auch realwirtschaftliche Erfahrung, bewertet Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING, die Personalentscheidung gegenüber der "Bild". "Vor allem ihre Erfahrung im Energiesektor werden in einem Ministerium, das ja mehr Energie- als Wirtschaftsministerium ist, hilfreich sein."

Auch BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner sieht die Ernennung positiv: "Dass eine erfahrene Energiemanagerin und Politikerin neue Ministerin für Wirtschaft und Energie wird, ist ein wichtiges Signal." Die Wirtschaft brauche eine starke Stimme und eine Anwältin für ihre Interessen.

Katherina Reiche: Karriereweg zwischen Politik und Wirtschaft

Die gebürtige Brandenburgerin Reiche gilt als bestens vernetzt in Politik und Wirtschaft. Ihre Karriere umfasst sowohl parlamentarische Erfahrung als Bundestagsabgeordnete als auch Regierungserfahrung als Staatssekretärin in zwei Ministerien. 2015 wechselte sie als Hauptgeschäftsführerin zum Stadtwerkeverband VKU und übernahm fünf Jahre später den Vorsitz des Energieversorgers Westenergie.

In Reiches Umfeld wird betont, dass das Wirtschaftsressort unter ihrer Führung wieder zum "ordnungspolitischen Gewissen" der Bundesregierung im Sinne Ludwig Erhards werden solle. Dies erfordere einen "enormen Kraftakt", den nur jemand bewältigen könne, der die Energie- und Wirtschaftswende durchdringe und einen klaren marktwirtschaftlichen Kompass habe.

Katherina Reiche als Stimme des Ostens?

Im Osten sehen einige Wirtschaftsvertreter die Personalie Reiche positiv. Für Marco Langhof, Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt, sei es wichtig, im Osten eine Vertretung zu haben. Das erklärte er gegenüber dem MDR. Denn der Osten braucht jemanden, der in Diskussionen die Stimme für die Wirtschaft in den neuen Bundesländern ist.

Diese Herausforderungen warten auf Merz' Wirtschaftsministerin

Trotz ihrer Expertise steht Reiche vor erheblichen Herausforderungen, da das Wirtschaftsministerium deutlich an Kompetenzen verliert. Der Bereich Klimaschutz wird künftig vom SPD-geführten Umweltministerium verantwortet, was die Einflussmöglichkeiten des Wirtschaftsressorts einschränkt:

  • "Die Reduzierung der Aufgaben birgt die Gefahr, dass in wichtigen Politikbereichen ökonomische Aspekte nicht hinreichend berücksichtigt werden. Ein Beispiel dafür ist die Digitalisierungspolitik", warnt Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts, gegenüber "Bild".
  • Auch Carsten Brzeski weist auf das "abgespeckte" Ministerium hin: "Für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung des Landes wird Frau Reiche nicht ganz so viel tun können." Stattdessen entscheide sich "das wirkliche Schicksal der deutschen Wirtschaft in den kommenden Jahren nicht im Wirtschaftsministerium, sondern im Bundeskanzleramt und dem Finanzministerium."

Katherina Reiche als Krisenmanagerin

Die deutsche Wirtschaft steckt in einer anhaltenden Krise. Die geschäftsführende Bundesregierung erwartet 2025 bereits das dritte Jahr in Folge ohne Wachstum. Wirtschaftsverbände sehen strukturelle Probleme: hohe Energiepreise im internationalen Vergleich, eine hohe Steuer- und Abgabenlast, überbordende Bürokratie, Arbeitskräftemangel und langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Die Erwartungen an Reiche sind entsprechend hoch. "Das Wirtschaftsministerium muss in der neuen Koalition eine Schlüsselrolle einnehmen", fordert Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer. "Wir müssen dringend wieder zu mehr Dynamik finden."

Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbands Familienunternehmer, betont: "Katherina Reiche steht vor einer riesigen Aufgabe. Sie übernimmt ein abgespecktes Wirtschaftsministerium. Dennoch muss sie ihre Akzente setzen. Wir Familienunternehmer erwarten von Katherina Reiche nichts weniger als die versprochene Wirtschaftswende."

Energiewende als Kernaufgabe

Eine zentrale Rolle wird Reiche bei der Energiewende spielen, dem schrittweisen Ausstieg aus fossilen Energien wie Gas und Öl. Unter ihrem Vorgänger Habeck hatte der Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne deutlich an Fahrt aufgenommen.

Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie, betont: "Katherina Reiche übernimmt ein Haus, in dem der Ausbau der Erneuerbaren Energien in einigen Sparten, allen voran Wind und Photovoltaik, wieder deutlich an Schwung gewonnen hat." Sie warnt zugleich: "Brüche bei der Absicherung von Investitionen und damit dem dynamischen Ausbau der beiden Energiewendemotoren müssen vermieden werden."

Carsten Brzeski hofft, dass Reiche "eine Energiepolitik der Deutlichkeit und Beständigkeit machen kann, sodass deutsche Unternehmen nicht mehr zur Abwanderung gezwungen werden". Eine weitere wichtige Aufgabe wird der Ausbau der Stromnetze sein.

Diese Aufgaben erwarten Katherina Reiche

Unter Habeck blieben zum Ende der Ampel-Koalition zentrale Gesetzesvorhaben liegen, die nun auf Reiches Schreibtisch landen. Dazu gehört ein Gesetz zur unterirdischen Speicherung von klimaschädlichem CO₂ in Deutschland sowie die milliardenschwere staatliche Förderung neuer Gaskraftwerke, die bis 2030 gebaut werden sollen.

Die Zeit drängt, da Investoren seit langem auf verlässliche Rahmenbedingungen warten. Die neuen Gaskraftwerke sollen einspringen, wenn der Strombedarf durch erneuerbare Energien nicht gedeckt werden kann – besonders in "Dunkelflauten", wenn weder Sonne scheint noch Wind weht.

Beim Netzausbau haben Union und SPD einen Paradigmenwechsel angekündigt: Laut Koalitionsvertrag sollen neu zu planende Hochspannungs-Gleichstromübertragungsnetze "wo möglich" als Freileitungen umgesetzt werden. Bisher galt bei den großen "Stromautobahnen" ein Erdkabelvorrang, der zwar die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen sollte, aber wesentlich teurer ist.

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/bua/news.de/dpa/stg

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