Donald-Trump-Kritik eskaliert: Secret Service rückt wegen Studenten-Essay an
Nicholas Decker, ein Student aus Virginia, wird vom Secret Service besucht - wegen eines Essays. Bild: picture alliance/dpa/AP | Alex Brandon
Erstellt von Mia Lada-Klein
24.04.2025 18.45
- Nicholas Decker provoziert mit Essay über Widerstand gegen Donald Trump-Regierung
- Der Secret Service steht vor seiner Tür eines 24-jährigen Studenten
- Die USA streiten: mutiger Warnruf oder gefährliche Radikalisierung?
Ein provokanter Essay mit dem Titel "When Must We Kill Them?" bringt einen Studenten in den Fokus der US-Sicherheitsbehörden. Der Autor: Nicholas Decker, 24 Jahre alt, Doktorand der Wirtschaftswissenschaften an der George Mason University. Was als politischer Kommentar anfing, endete mit einem Besuch des Secret Service an seiner Haustür – und einer Debatte über die Grenzen der Meinungsfreiheit.
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Secret Service klingelt – wegen eines Essays
Zwei Beamte des Secret Service tauchten am 18. April in Fairfax, Virginia, bei Nicholas Decker auf. Ihre Fragen waren direkt: Besitzt du eine Waffe? Stellst du eine Gefahr für andere dar? Nicholas Decker hat das Aufeinandertreffen mit dem Secret Service des US-Präsidenten als Video mit seinem Handy festgehalten. Im Video verneint Nicholas Decker alle ihm gestellten Fragen und die Beamten ziehen von dannen. Doch die Warnung an Nicholas Decker war deutlich: Sei vorsichtig! Wir haben dich auf dem Schirm! Hintergrund des Einsatzes war Nicholas Deckers am 16. April veröffentlichter Essay, in dem er laut eigenen Angaben zur Diskussion stellen wollte, ob Gewalt gegen die Donald Trump-Regierung unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sei. Der Aufsatz trägt den auffälligen Titel: "When Must We Kill Them?" Zu Deutsch: "Wann müssen wir sie töten?" – und ließ im Netz und in den Behörden sämtliche Alarmglocken schrillen.
Nicholas Decker schreibt: "Das Böse ist über Amerika gekommen"
In seinem Essay entwirft Nicholas Decker ein beunruhigendes Szenario: Eine Regierung, die Grundrechte mit Füßen tritt, Gerichtsurteile ignoriert, politische Gegner verhaften lässt und demokratische Prinzipien systematisch untergräbt. Solche Entwicklungen – so Nicholas Decker – könnten einen gewaltsamen Widerstand rechtfertigen. Auf Nachfrage von "t-online" bestätigt der Doktorand, dass Donald Trumps Weigerung, gerichtlichen Anordnungen in einem Fall zu folgen, bei dem unschuldige Migranten in ein Gefängnislager nach El Salvador abgeschoben wurden, der Auslöser für seinen Text gewesen sei. "Die Menschen müssen die Tragweite dieser Entwicklungen erkennen", sagte er "t-online" zufolge. Seine Schlussfolgerung: Wenn solche Maßnahmen zur neuen Normalität würden, bleibe letztlich nur noch der Widerstand – auch mit Gewalt. "Wir dürfen nicht tatenlos zusehen. Wir müssen bereit sein, notfalls unser Leben dafür einzusetzen", so Nicholas Decker.
Reaktionen auf Nicholas Decker liegen zwischen Applaus und Shitstorm
Nicholas Deckers Essay löste eine Welle der Empörung, aber auch der Zustimmung aus – und verbreitete sich in rasantem Tempo. Auf der Plattform X wurde sein Beitrag bereits über 11 Millionen Mal aufgerufen. Während ihn viele als mutigen Kämpfer feiern, der vor einem drohenden Demokratieverlust warnt, werfen ihm andere gefährliche Radikalisierung und die Verherrlichung von Gewalt vor. Die Spannbreite der Reaktionen reicht dabei von Applaus bis zu massiver öffentlicher Kritik. Und das schon ohne den Besuch des Secret Services. Vor allem konservative Stimmen reagierten empört. Der rechte Influencer Tim Pool etwa sprach von einem "indirekten Mordaufruf gegen Konservative". Auch institutionell blieb die Veröffentlichung nicht folgenlos. Die George Mason University, an der Nicholas Decker studiert, sah sich zu einer Stellungnahme gezwungen. In einem offiziellen Statement betonte die Universität ihre klare Ablehnung von Gewalt und Aufrufen zu Gewalt, nannte Nicholas Decker jedoch nicht namentlich. Stattdessen verwies sie allgemein auf die Bedeutung von Meinungsfreiheit innerhalb demokratischer Diskurse – betonte jedoch zugleich, dass die Grenze dort verlaufe, wo die Sicherheit anderer gefährdet werde. Die Debatte über den Essay offenbart nicht nur die Polarisierung der US-Gesellschaft, sondern auch die wachsende Unsicherheit darüber, wo legitimer Protest endet – und wo Extremismus beginnt.
Nicholas Decker und sein schmaler Grat zwischen Meinungsäußerung und Aufruf zur Gewalt
Nicholas Decker selbst ruderte inzwischen leicht zurück. Er ergänzte seinen Essay um die Klarstellung, dass Gewalt nur als letztes Mittel legitim sei – und ausschließlich gegen jene, die sich durch Gewalt selbst an die Macht bringen. Den Vorwurf, er rufe zu Mord oder Bürgerkrieg auf, weist er entschieden zurück. Im Interview mit "t-online" zeigt er sich jedoch unbeirrt: "Ich bereue nichts." Seine Haltung: Die USA stünden an einem kritischen Punkt, und das müsse offen benannt werden. Wie weit darf Meinungsfreiheit aber in einem Land wie Amerika gehen? Obwohl der Supreme Court im Fall "Brandenburg vs. Ohio" (1969) festgelegt hat, dass Meinungsäußerungen in den USA nur dann strafrechtlich verfolgt werden dürfen, wenn sie unmittelbar zu rechtswidrigen Handlungen aufrufen oder diese verursachen, wurde im Fall von Nicholas Decker dennoch der Secret Service aktiv. Im Fall von Clarence Brandenburg, einem Anführer des Ku-Klux-Klan, wurde er nach dem Ohio Criminal Syndicalism Act verurteilt, weil er bei einer Kundgebung Gewalt als Mittel zur politischen Veränderung befürwortete. Der Supreme Court hob die Verurteilung anschließend aber auf und entschied, dass abstrakte Befürwortung von Gewalt durch die Verfassung geschützt ist, solange sie nicht zu unmittelbaren rechtswidrigen Handlungen aufruft. Bis heute bildet dieses Urteil die Grundlage für die Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und öffentlicher Sicherheit in den USA.
Konsequenzen für Nicholas Decker wegen Essay
Die Konsequenzen für Nicholas Decker ließen also nicht lange auf sich warten. Neben Applaus, Buhrufen und einem Besuch des Sicherheitsdienstes, gab es auch Morddrohungen, einen heftigen Shitstorm von rechts, Kündigung seiner Unterkunft durch den Vermieter. Doch Nicholas Decker bleibt trotzig: Er veröffentlichte sogar seinen aktuellen Aufenthaltsort – mitten im Sturm der Entrüstung. Eine Spendenaktion für eine neue Wohnung brachte ihm rund 4.000 Dollar ein, die er jedoch vollständig an die US-amerikanische Non-Profit-Organisation "GiveWell" spendete. Eine Organisation, die auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten die Programme von Wohltätigkeitsorganisationen evaluiert.
Nicholas Decker - davor hat er Angst
Trotz seines kämpferischen Tons gibt Nicholas Decker zu, dass er sich vor einem möglichen Bürgerkrieg fürchtet. Und diese Angst teilt er mit vielen Amerikanern – quer durch das politische Spektrum. Selbst konservative Stimmen wie Podcast-Star Joe Rogan warnen vor den Auswirkungen zunehmender Polarisierung. "Wir dürfen nicht selbst zu Monstern werden, wenn wir gegen Monster kämpfen", so Joe Rogan.
Ob Nicholas Decker mit seinem Essay eine notwendige Debatte angestoßen oder eine gefährliche Eskalation befeuert hat – darüber streiten sich die Lager. Fest steht: In einem Amerika, das sich unter einer Donald Trump-Präsidentschaft bewegt, ist die Diskussion über Widerstand und Redefreiheit vielleicht aktueller denn je.
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mlk/bos/news.de/dpa