Panorama

Edda Schönherz: «Ich habe nicht gewusst, dass ich so wichtig war»

Edda Schönherz verbrachte drei Jahre im Gefängnis, weil sie die DDR verlassen wollte. Bild: news.de

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Überzeugt seien sie und ihre Familie von dem ganzen Zirkus nie gewesen. Zu den Jungpionieren und später auch in die FDJ seien sie nur gegangen, weil es eben alle taten. Man wollte schließlich nicht als Außenseiter dastehen. Obwohl sich Edda Schönherz nicht als Kommunistin bezeichnete, galt sie lange Zeit als Aushängeschild des DDR-Regimes. Nach ihrer Ausbildung an der Fernsehakademie im Ostberliner Bezirk Adlershof arbeitete sie als Journalistin und moderierte vor allem Kultursendungen im Fernsehen der DDR.

Bereits in der Ausbildung - sämtliche Texte wurden stets kontrolliert und auch zensiert - bekam sie oft zu hören, ihre Texte wären zwar nicht schlecht, aber sie würde den goldenen Sozialismus zu wenig erwähnen. Zunehmend geriet sie in einen Konflikt mit sich selbst, konnte mit der politischen Auffassung des Staates immer weniger anfangen.

«Ich habe mein Gehirn eingeschaltet. Ich bin kein Mensch, den man in irgendwelche Normen reinpressen kann, sondern ich mache mir meine eigenen Gedanken aus dem, was ich sehe und erlebe. Mich störte an der DDR vor allem, dass die Grundrechte nicht eingehalten wurden. Grundrecht auf Freiheit, die Menschenwürde, Ehre, das Recht, freie Entscheidungen zu treffen, freies Gedankengut, freie Rede, freies Reisen, dass ich entscheiden kann was ich lese oder sehe, was ich anziehe.»

Im August 1974, Edda Schönherz war mit ihren beiden Kindern auf Urlaubsreise in Ungarn, erkundigte sie sich in den Botschaften der Bundesrepublik, Großbritanniens und der USA nach Möglichkeiten, die DDR zu verlassen. «Natürlich habe ich das herausgefordert. Ich wusste schon, dass man in der DDR was dagegen hatte», erzählt die heute 64-Jährige.

Ihre Aktion blieb nicht verborgen. Sämtliche Botschaften nichtsozialistischer Länder waren bereits bei der Erbauung mit Wanzen und Kameras ausgestattet worden. Zwei Tage lang hielt der ungarische Geheimdienst Edda Schönherz und ihre Kinder, damals elf und zwölf Jahre alt, in Ungarn fest und verhörte sie. «Die Ungarn haben ein Kopfgeld für jeden DDR-Bürger bekommen, den sie der Stasi ans Messer lieferten», sagt Schönherz.

Doch die Familie kam vorerst frei. Man habe, erklärten die Ungarn damals, den Kollegen in der DDR aus humanitären Gründen nicht über den Vorgang Bescheid gegeben. Edda Schönherz habe die Wahl, entweder in Ungarn zu bleiben oder zurück in die DDR zu reisen. «Da stand für mich fest, dass die Lügen, bis sich die Balken biegen.»

Sie sollte Recht behalten. Als die Familie in die DDR zurückkehrte, war die Staatssicherheit bereits informiert. Die Spitzel am Flughafen blieben Edda Schönherz nicht verborgen. Aus ihren Akten konnte sie 1993 entnehmen, dass sie von diesem Moment an rund um die Uhr observiert wurde. Jede ihrer Bewegungen wurde penibel von Mitarbeitern der Stasi notiert, ihre Wohnung und das Telefon mit Hilfe von Wanzen abgehört.

Am Morgen des 9. Septembers, nur eine Woche nach ihrer Rückkehr aus Ungarn, standen elf Männer versammelt am Bett von Edda Schönherz. Sie wurde gebeten, «zur Klärung eines Sachverhalts» mitzukommen. «Damals konnte ich nicht ahnen, dass dieser Sachverhalt drei Jahre lang dauern sollte», sagt sie heute mit einer Spur Sarkasmus.