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Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Falsche Erziehung von Kindern kann zu Narzissmus führen

Fühlen sich Kinder langfristig abgelehnt oder einsam, kann sich das negativ auf ihr Selbstbild auswirken. Bild: AdobeStock/IdeaBug, Inc.

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  • Wir erklären alles wichtige zu narzisstischen Persönlichkeitsstörungen
  • Häufig haben narzisstische Züge ihre Ursprünge in der Kindheit
  • Wie genau die Störung entstehen kann, zeigt eine aktuelle Studie

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Auch wenn es Ihnen nicht aufgefallen ist: Mit Sicherheit sind Sie schon dem einen oder anderen Narzissten begegnet. Ein prominentes Beispiel für narzisstische Züge ist der US-Präsident Donald Trump. Doch nicht immer äußert sich die Störung in derart negativen Qualitäten. Was genau das Störungsbild ausmacht und welche Ursachen Narzissmus haben könnte, erfahren Sie hier.

Was ist mit Narzissmus eigentlich gemeint?

Bei Narzissmus im umgangssprachlichen Sinne handelt es sich oft um eine eher ungenaue Ansammlung an unangenehmen Eigenschaften: Selbstverliebtheit, Eigennutz, unachtsames Verhalten anderen gegenüber. Der umgangssprachliche Narzisst ist allerdings deutlich vom in der Psychologie verwendeten Begriff der narzisstischen Persönlichkeitsstörungabzugrenzen.

Diese äußert sich demnach vor allem in Selbstüberschätzung, Überempfindlichkeit gegen Kritik, Suche nach Bewunderung und dominantem Interaktionsverhalten. Bei der ersten Begegnung mit Narzissten wirken diese meist interessant und attraktiv. Personen, die sie jedoch schon länger kennen, bewerten Narzissten wiederum als egozentrisch und ausbeuterisch. Wichtig: Narzissmus als Persönlichkeitsmerkmal ist zu einem gewissen Maße bei so gut wie jedem Menschen vertreten - einige narzisstische Wesenszüge zu haben, ist durchaus völlig normal.

Merkmale der narzisstischen Persönlichkeitsstörung

In seiner pathologischen Ausprägung wird die narzisstische Persönlichkeitsstörung vor allem durch folgende Merkmale besonders gekennzeichnet:

  • 1. Ein grandioses Selbstbild
    • Überzeugung, besonders, einzigartig oder anderen überlegen zu sein
    • Übertreiben eigener Leistungen oder Fähigkeiten
    • Erwartung besonderer Bewunderung
  • 2. Starkes Bedürfnis nach Bewunderung
    • Bewunderung wird zwar erwartet, ist aber für den Selbstwert dennoch essenziell
    • Sensibilität gegenüber Kritik oder fehlender Anerkennung
  • 3. Mangel an Empathie
    • Schwierigkeiten, Gefühle und Bedürfnisse anderer nachzuvollziehen
    • Fokussierung auf eigene Ziele und Vorteile
  • 4. Ausnutzen zwischenmenschlicher Beziehungen
    • Andere werden benutzt, um eigene Ziele zu erreichen
    • Beziehungen dienen oft der Selbstbestätigung
  • 5. Anspruchsdenken
    • Erwartung von Sonderbehandlung
    • Ärger oder Gereiztheit, wenn diese nicht erfolgt

Diagnostiziert wird die Persönlichkeitsstörung allerdings erst, wenn das Verhalten über viele Jahre hinweg stabil bleibt. Das Verhalten muss zudem vom kulturellen Kontext deutlich abweichen und zu Leid oder funktionalen Einschränkungen, etwa im Beruf, führen.

Ist US-Präsident Trump tatsächlich ein Narzisst?

Wie viele dieser Eigenschaften nun auf US-Präsident Trump oder andere Personen der Öffentlichkeit zutreffen, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Eine Ferndiagnose lehnen Psychologen in der Regel aus ethischen Gründen ab. Studien geben allerdings Hinweise darauf, dass Präsidenten und generell Menschen in Führungspositionen im Schnitt ein höheres Maß an "grandiosem Narzissmus" zeigen als die durchschnittliche Bevölkerung.

Dieselben Studien fanden zudem, dass gewisse narzisstische Eigenschaften mit bestimmten Vorteilen verbunden sein können, etwa Überzeugungskraft, Entscheidungs­kraft, im Krisenmanagement, oder beim Agenda-Setting. Eine plausible Erklärung dafür wäre, dass Menschen mit viel Selbstbewusstsein, einem starken Bedürfnis nach Anerkennung sowie einem hohen Maß an Machtstreben häufiger nach solchen Rollen streben und Erfolg in diesen haben. Solche Eigenschaften sind allerdings nicht mit einer Pathologie gleichzusetzen.

Der vulnerable Narzissmus unterscheidet sich deutlich

Abgesehen vom klassischen Bild des grandiosen Narzissmus gibt es zudem noch den vulnerablen, also verletzlichen Narzissmus. Diese Form der narzisstischen Persönlichkeitsstörung wird häufig übersehen, da leiser, sensibler und ängstlicher wirkt als der laute, grandiose Typ. Sie zeigt sich durch ein widersprüchliches Zusammenspiel aus Bedürfnis nach Anerkennung und tiefem inneren Unsicherheitsgefühl.

Typische Merkmale des verletzlichen Narzissmus sind:

  • Geringes Selbstwertgefühl
  • Hohe Empfindlichkeit gegenüber Kritik
  • Rückzug und soziale Vermeidung
  • Starke Scham- und Versagensängste
  • Innerer Konflikt zwischen Bedürfnis und Angst
  • Grübeln und Sensibilität gegenüber Zurückweisung
  • Übermäßige Selbstfokussierung
  • Emotionale Instabilität

Statt Dominanz und Machtstreben wird der verletzliche Narzissmus also von Verletzlichkeit, Unsicherheit und Rückzug geprägt. Wie bei allen narzisstischen Tendenzen liegt auch hier der Fokus auf dem Selbstwertgefühl und der Abhängigkeit von äußerer Bestätigung.

Bindungsstile der Eltern prägen Kinder

Eine Studie der Australian Catholic University zeigt, dass pathologischer Narzissmus seine Wurzeln unter anderem in der Kindheit der Betroffenen hat. Dabei wurden die Bindungsstile von Elternteilen untersucht, um herauszufinden, ob diese die Entwicklung narzisstischer Persönlichkeitsmerkmale beeinflussen können. Die Bindungsstile beschreiben, wie Kinder durch die Feinfühligkeit ihrer Bezugspersonen lernen, Vertrauen, Nähe und Sicherheit zu erleben. Dabei wurde zwischen vier Typen unterschieden:

  • sicher
  • unsicher-vermeidend
  • unsicher-ambivalent
  • unsicher-desorganisiert

Unsichere Bindung kann verletzlichen Narzissmus fördern

Die Untersuchung zeigt, dass verletzlicher Narzissmus stark mit unsicheren Bindungen in der Kindheit verbunden ist. Indes weist grandioser Narzissmus dagegen nur eine schwache Verbindung zu unsicheren Bindungsstilen auf.

Unsichere Bindungsstile entstehen oft durch emotionale Distanz, unberechenbares Verhalten, Missbrauch oder Vernachlässigung durch die Eltern. Die frühen Kindheitserfahrungen prägen wiederum das spätere Beziehungsverhalten und beeinflussen so den Umgang mit Nähe und Vertrauen.

Wichtig zu wissen: Die Informationen in diesem Artikel stammen zum Teil aus der Diagnostik der ICD-10. Ab 2026 soll diese in Deutschland allerdings durch die ICD-11 abgelöst werden. Narzissmus als kategorische Diagnose wird zugunsten eines "Muster-Systems" abgelöst, das Persönlichkeitsstörungen anhand von Schweregrad und Merkmalen identifiziert. Ziel ist eine präzisere und individuellere Diagnostik.

Wenn Sie oder ein Angehöriger unter Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden, sollten Sie sich Hilfe bei Experten holen, die Ihnen Wege aus dieser Situation aufzeigen. Die Telefonseelsorge ist kostenlos, anonym und 24 Stunden lang unter den Telefonnummern 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 erreichbar. Weitere Hilfsmöglichkeiten finden Sie hier.

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