Gesundheitssystem vor Kollaps?: 3 bis 4 Euro pro Arztbesuch - Kassenärzte-Chef fordert "Kontaktgebühr"
Müssen Patienten bald für jeden Arztbesuch zahlen? Bild: AdobeStock / Song_about_summer
Erstellt von Anika Bube
29.12.2025 11.44
- Milliardenloch im Gesundheitswesen wächst
- Ärzte und Kliniken fordern neue Gebühren für Patienten
- Arztbesuch, Krankenhaus, Notaufnahme – alles soll teurer werden
Angesichts immer weiter steigender Kosten im Gesundheitswesen flammt die Diskussion über höhere oder neue Zuzahlungen für Patienten erneut auf. Ärzte, Kliniken und Arbeitgeber schlagen Alarm und zielen dabei vor allem auf die Eigenbeteiligung der Versicherten.
Ärztechef fordert "Kontaktgebühr" beim Praxisbesuch
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, fordert eine neue Gebühr bei Arztbesuchen. "Sie könnte, wie zum Beispiel in Japan, bei drei oder vier Euro liegen und sollte von den Krankenkassen eingezogen werden", sagte er gegenüber der "Bild". Ziel sei es, unnötige Arztkontakte zu reduzieren und das System zu entlasten.
Arbeitgeber wollen Gebühr bei jedem Arztkontakt
Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bringt eine "Kontaktgebühr bei jedem Arztkontakt" ins Spiel. Diese habe eine stärkere Steuerungswirkung als die frühere Praxisgebühr. In einem Positionspapier heißt es, unnötige Arztbesuche und sogenanntes "Ärzte-Hopping" könnten so vermieden, Wartezeiten verkürzt und Praxen entlastet werden.
Praxisgebühr kehrt nicht zurück – oder doch?
Eine allgemeine Praxisgebühr von zehn Euro pro Quartal gab es bereits von 2004 bis 2012. Sie brachte rund zwei Milliarden Euro pro Jahr ein, wurde aber wegen des hohen bürokratischen Aufwands wieder abgeschafft. Gassen betonte nun: Statt einer Praxisgebühr brauche es eine Gebühr, die die Krankenkassen einziehen. Sie müsse zudem "sozial verträglich gestaltet werden, damit niemand überfordert wird".
Zusätzlich schlägt der KBV-Chef einen "digitalen Ärzte-Lotsen" vor. "Durch eine solche Koordination für Patienten könnten unnötige Doppel- und Dreifachbehandlungen verhindert werden." Die schwarz-rote Koalition plant ohnehin ein verbindlicheres Hausarzt-System: Patienten sollen zunächst in die Hausarztpraxis gehen und von dort mit Termin an Fachärzte überwiesen werden.
Ministerin bringt Gebühren oder Bonus-System ins Spiel
Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) erklärte kürzlich, es brauche für einen gezielteren Zugang zu Terminen „weitere Steuerungselemente". Möglich seien ein Bonus für regelkonformes Verhalten oder eine Gebühr bei direktem Gang zum Facharzt. Eine allgemeine Praxisgebühr schloss sie jedoch aus: Diese sei früher "sehr bürokratisch" gewesen.
Auch von der Klinikseite kommen klare Forderungen. Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, sagte der Bild: "Die Zuzahlung bei Krankenhausaufenthalten sollte verdoppelt werden: von zehn auf 20 Euro am Tag. Das ist angemessen." Das würde den Krankenkassen rund 800 Millionen Euro jährlich bringen.
Zusätzlich sollen Patienten zahlen, die ohne vorherige Beratung oder Leitstelle direkt in Notfallzentren kommen. "Ich finde 30 bis 40 Euro angemessen", sagte Gaß.
Die Bundesregierung plant für das kommende Jahr eine umfassende Reform. Ziel ist es, den rasanten Ausgabenanstieg zu bremsen und weitere Beitragserhöhungen zu vermeiden. Eine Expertenkommission soll bis März Vorschläge für eine Stabilisierung ab 2027 vorlegen. Bis Ende 2026 sollen weitere Reformkonzepte folgen.
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