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Lieferengpass aktuell: Apothekerverbände warnen - wichtige Medikamente nicht lieferbar

Erneut fehlen wichtige Medikamente. Bild: picture alliance/dpa | Jens Kalaene

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  • Apotheker warnen vor Lieferengpässen
  • Wichtige Arzneien wie Antibiotika oder Krebsmittel sind nicht lieferbar
  • Medikamentenengpässe nehmen seit 2018 zu

Die Apothekerverbände schlagen Alarm: Mit mehr als 500 gemeldeten Lieferengpässen bei Arzneimitteln geht Deutschland erneut unvorbereitet in die kalte Jahreszeit. Welche Arzneien betroffen sind.

Apotheker warnt vor Lieferengpässen in Deutschland

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte verzeichnet aktuell 536 Meldungen in seiner Datenbank (Stand: 17.09.2025). Ein Niveau, das dem der Vorjahre entspricht.Die Engpässe betreffen ein breites Spektrum an Medikamenten: Von verschiedenen Antibiotika über Asthmamittel bis hin zu Psychopharmaka sind zahlreiche wichtige Arzneimittel derzeit nur schwer erhältlich oder komplett nicht lieferbar.

"Auch in diesen Winter gehen wir sehr schlecht vorbereitet. Das Thema Lieferengpässe bei Arzneimitteln ist ein Dauerthema geworden in den Apotheken", kritisiert Thomas Preis, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apotheker, gegenüber "Bild am Sonntag".

Von Antibiotika bis Krebstherapie: Diese Arzneimittel fehlen

Die Liste der betroffenen Präparate liest sich wie ein Querschnitt durch die Hausapotheke:

  • Bei Rizatriptan gegen Migräne melden gleich mehrere Produzenten Ausfälle in beiden gängigen Dosierungen 5mg und 10mg).
  • Das beliebte Schlafmittel Hoggar Night ist wegen Herstellungsproblemen nicht verfügbar.
  • Wichtige Antibiotika wie Vancomycin fehlen aufgrund von Produktionsschwierigkeiten und gestiegener Nachfrage.
  • Auch Psychopharmaka sind betroffen - beim Neuroleptikum Olanzapin, das bei Psychosen eingesetzt wird, melden zwei Hersteller Produktionsprobleme.
  • Der Brustkrebswirkstoff Tamoxifen ist bei Aristo Pharma nicht lieferbar.
  • Weitere Engpässe gibt es beim Blutdrucksenker Udrik, Cholesterinmedikamenten wie Rosuvastatin Aurobindo und dem Beruhigungsmittel Oxazepam, wo Hersteller eine erhöhte Nachfrage als Grund angeben.

Kritische Versorgungslücken bei lebenswichtigen Medikamenten

Während bei Lieferengpässen noch Alternativen existieren, fehlen bei echten Versorgungsengpässen gleichwertige Ausweichmöglichkeiten komplett. Auch das Gesundheitsministerium meldet aktuell alarmierende Versorgungsmängel bei essenziellen Arzneimitteln.

Betroffen sind mehrere Antibiotika-Säfte für Kinder mit den Wirkstoffen Erythromycin, Clindamycin, Cotrimoxazol und Cefuroxim. Auch intravenöse Acetylsalicylsäure-Präparate, die bei akuten Herzinfarkten lebensrettend sind, fehlen bundesweit. Asthmapatienten trifft es ebenfalls hart: Salbutamol-Inhalatoren zur Behandlung von Asthma und chronischer Bronchitis sind nicht verfügbar.

"In diesen Fällen müssen wir Medikamente aus dem Ausland importieren, um die Versorgung mit diesen Arzneimitteln sicherzustellen", erklärt Apothekerpräsident Preis. Immerhin: Die Versorgung mit Fieber- und Erkältungsmitteln, die 2022 für große Sorgen gesorgt hatte, ist mittlerweile wieder gewährleistet.

Gründe für die Medikamentenknappheit

Die Wurzeln der Medikamentenkrise liegen tief.

  • Produktionsprobleme spielen laut BfArM eine zentrale Rolle: Qualitätsmängel zwingen zur Umstellung von Herstellungsprozessen, Chargen können nicht freigegeben werden oder Kapazitäten reichen bei steigender Nachfrage nicht aus.
  • Ein Kernproblem ist die schwindende Zahl von Pharmaunternehmen mit Arzneimittelzulassungen. Die geringen Gewinnmargen machen die Produktion vieler Medikamente unwirtschaftlich. Bricht ein Hersteller weg, kann der Ausfall kaum kompensiert werden.

"Deutschland war früher die Apotheke der Welt, jetzt steht die Apotheke der Welt in China oder Indien", konstatiert Apothekerpräsident Preis. Produktionsstörungen in Asien schlagen direkt auf die europäische Versorgung durch. Bei innovativen Arzneimitteln besteht zudem eine Abhängigkeit von den USA - angesichts der aktuellen Steuerpolitik "kein einfaches Unterfangen".

Medikamentenengpässe nehmen zu - Apotheken arbeiten am Limit

Die Medikamentenengpässe haben sich seit 2018 kontinuierlich verschlimmert. Eine Datenanalyse des Wirtschaftsprofessors David Francas von der Hochschule Worms zeigt einen besorgniserregenden Langzeittrend. Die Probleme häufen sich zwar bei besonderen Ereignissen wie der Pandemie, doch die Gesamtlage verschlechtert sich davon unabhängig stetig.

Trotz des 2023 verabschiedeten Gesetzes zur Bekämpfung von Lieferengpässen stagniert die Situation auf hohem Niveau. Von den aktuell 539 Meldungen sind über 359 sogenannte Änderungsmeldungen - bestehende Engpässe, die teils seit Jahren andauern.

Für Apotheken bedeutet das eine enorme Zusatzbelastung. Rund 40 unbezahlte Arbeitsstunden pro Woche investieren sie allein ins Management der Engpässe - Zeit für die Suche nach Alternativen und die Beratung verunsicherter Patienten.

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/bua/news.de/stg

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