Panorama

Politisch korrekt: Die modernen Sprechverbote

Demonstrantin der Occupy-Bewegung in Berlin: Die politische Korrektheit verbannt Wörter aus dem Sprechschatz. Bild: dapd

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Wenn bei Ihnen zu Hause eine Katze umher läuft oder ein Hamster raschelt, wie würden Sie ihre tierischen Freunde nennen? Haustier? Und wie würden Sie sich selbst nennen? Etwa Haustier-Besitzer? Geht es nach einem Oxford-Professor und Chef des weltweit einzigen Zentrums für Tierethik, sind dies völlig abwertende Begriffe. Wir leben im 21. Jahrhundert, im Zeitalter der politischen Korrektheit.

Andrew Linzey schlägt vor, unser Verhältnis zu Haustieren auch sprachlich in neue Begriffe zu fassen. Fiffi ist dann ein «Begleittier», und Sie sind kein Tier-Besitzer, sondern eine «menschliche Begleitperson». In einem Aufsatz des Tierethik-Journals schreibt der Theologe und Professor aus dem englischen Oxford, dass wir unsere Wortwahl gegenüber Tieren untersuchen sollten, weil sie abwertend sei. Das ist nur ein Beispiel für immer weiter gehende Forderungen nach politischer Korrektheit - weitere Fälle finden Sie in unserer Fotostrecke.

Orwell lässt grüßen

Im aktuellen Beispiel aus England könnten, das räumt Linzey selbst ein, Tiere sich zwar nicht im selben Maße wie Menschen beleidigt fühlen, doch prägten abwertende Begriffe eben auch unsere Einstellung zu Tieren. «Tiere werden grundsätzlich als Eigentum beschrieben», so Linzey. Dies sei zwar rechtlich korrekt, aber moralisch verwerflich. Ebenfalls auf seiner Abschussliste: Der Begriff «wilde Tiere», die besser freilaufende Tiere heißen sollten. Und Redewendungen, nach denen ein jemand «wie ein Schwein frisst».

Wie leben in einer Zeit, in der öffentlich kein Begriff mehr benutzt werden darf, der eine Gruppe, egal ob auf zwei oder mehr Beinen unterwegs, irgendwie herabsetzt. Das ist «Neusprech» à la George Orwells 1984. Wer die Gedanken kontrolliert, hat auch die Macht über die Handlungen. Wo es Denkverbote und Tabus gibt, verhalten sich Menschen entsprechend.

Korrektes Denken verbietet alles Abwertende

Doch seit den 1960er Jahren ist, wie die Zeit analysiert hat, eine neue Kategorie hinzu hinzugekommen: «Es ist der Pakt von Postmoderne und schlechtem Gewissen.» Postmodern sei die Verneinung objektiver Wahrheiten und die Verweigerung von Werturteilen, so Zeit-Herausgeber Josef Joffe. Und das schlechte Gewissen sei im Westen stark ausgeprägt und mache sich an Sklaverei, Rassismus, Völkermord fest. «Also verbietet das korrekte Denken alles Abwertende, außer bei rechten Scheusalen wie Bankern, Jägern, Machos und Kapitalisten», so Josef Joffe.

Deshalb sind aus Zigeunern die Sinti und Roma geworden - obwohl durch die Heraushebung zweier Gruppen die anderen Zigeuner-Gruppen unter den Tisch fallen. Aus Eskimos werden - ebenfalls recht unkorrekt - die Inuit, aus Behinderten werden Menschen mit Handicap. Niemand ist mehr arbeitslos, höchstens arbeitssuchend: Klicken Sie sich durch die Fotostrecke der politischen Korrektheit.

iwi/news.de