Panorama

Pfarrhaushälterin: Die Frau, die mit dem Priester lebt

Eva Groß ist zufrieden mit ihrem Leben im Pfarrhaus. Bild: news.de

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Auf dem Klingelschild stehen zwei Namen, Eva Groß und Johannes Groß. Ein katholischer Pfarrer und seine Frau? Würde Dresden-Pieschen das einfach so hinnehmen? Die Tür ist nicht verschlossen, und Eva Groß ruft von oben, einfach hochkommen. Alle Zweifel zerstreut sie im ersten Satz. Ihr Bruder sei heute nicht da, sie hat Zeit und ein Käffchen gekocht.

«Das ist aber schön, dass sie die Schwester sind», hätten die Leute vor 15 Jahren gesagt, als sie aus Leipzig nach Sankt Josef gekommen seien. «Du liebe Zeit», habe ich da gedacht», kommentiert die handfeste Frau die Sorgen der Leute. Eva Groß führt ihrem Bruder den Haushalt, seit er vor 25 Jahren zum katholischen Priester geweiht wurde. Er ist der Mann an ihrer Seite, weil sie es verpasst hat, jemanden zu finden, wie sie es nennt. Besonders traurig wirkt Eva Groß nicht, weil sie ihr eigenes dem ihres Bruders untergeordnet hat. «Wenn ich jemanden gefunden hätte, hätte mein Bruder ja nicht verlangt, dass ich darauf verzichte.»

Trotzdem gibt es heute nicht mehr viele Frauen, die das Opfer bringen. Eva Groß bezeichnet sich selbst als aussterbende Spezies. Sie kann das einschätzen, denn sie koordiniert die Treffen der Priesterhaushälterinnen in Sachsen. 80 hat sie in ihrer Kartei, davon sind bis auf 25 alle in Rente. Und selbst von den aktiven lebe nur noch die Hälfte im Pfarrhaus, die anderen haben eine eigene Familie, und die Arbeit beim Priester ist ihr Job. «Die Männer sind heute auch sehr selbstständig. Es gibt Mikrowellen und beim Fleischer tolle Menüs», erklärt Eva Groß das Ende ihres Berufszweigs. Ihr Leben ist eigentlich keine Geschichte mehr für das dritte Jahrtausend.

Eheähnliche Beziehung ohne Ehe

Früher hingegen wäre sie ein ganz typischer Fall gewesen. «Wir waren eine große Familie mit drei Brüdern und fünf Schwestern. Unsere Mutter hat immer gesagt, es wäre schön, wenn eine von uns Schwestern mit ihm ginge. Es war gar nicht klar, dass ich das sein musste.» Aber es passte gerade in ihr Leben. Eva Groß erzog Kinder in einem Heim bei Leipzig, die Gruppe war erwachsen und mit 35 Jahren hoffte sie nicht mehr auf den Prinzen. Die Stelle als gute Seele im Pfarrhaus war eine Kontinuität, sie konnte weiter mit Kindern arbeiten, mit ihren Bastelarbeiten die Tische im Pfarrheim verschönern. Heute ist sie 60, und alles hat seine Ordnung.

Eheähnliche Züge habe das Leben mit ihrem Bruder schon, «es ist auf jeden Fall eine gewisse Partnerschaft», meint sie - im traditionellen Sinne eben. Sie kocht, putzt und macht die Wäsche, nimmt Rücksicht, wenn der Pfarrer in seinem Arbeitszimmer jemanden empfängt und respektiert den Schreibtisch als Tabu für ihr Staubtuch. Sie ist ganz froh, wenn er ab und zu mit anderen Pfarrern Skat spielt, weil sie dann nochmal in Ruhe die Teppiche saugen kann, und nimmt sich die Freiheit, ihre Haushälterinnen zu treffen oder mit einer alten Freundin ins Kino zu gehen. Oft genug sitzen die Geschwister Groß aber auch abends zusammen im Wohnzimmer des Priesters und schauen fern, und ab und zu machen sie einen Wein auf oder gehen in die Semperoper.

«Er ist schon der Chef», räumt die Haushälterin ein, «aber ich leide nicht darunter – und wenn etwas gar nicht geht, sag ich's». Sie hat ihren Platz gefunden im Leben, inklusive Nischen und Schlupflöchern. Und weiß zugleich, dass junge Frauen so ein Leben wie sie nicht mehr führen wollten. «So eine dienende Funktion kann heute keiner mehr verlangen. Eine Haushälterin kocht und putzt auch nicht mehr nur, sondern ist auch Pfarrsekretärin», erzählt sie und ist bei einem Thema, das sie in letzter Zeit beschäftigt. Denn der Computer unten im Sekretariat, der ist ja frei, wenn die Sekretärin Feierabend hat, deutet sie verschmitzt an. «Irgendwann mal» möchte sie einen Computerkurs machen – zumindest, um die Geburtstagskarten professioneller gestalten zu können.

«Wenn die Chemie stimmt, leben sie auch miteinander»

Denn die Korrespondenz mit der großen Familie fällt in ihr Aufgabengebiet. Das Zusammenleben mit dem Bruder funktioniert gut, weil es seine Regeln hat. Jeder bewohnt zwei Zimmer, man klopft an, sie teilen ein Bad, aber das lässt sich abschließen. «Wenn die Chemie zwischen Pfarrer und Haushälterin nicht stimmt, geht es auseinander» - das ist wie in der Ehe. Und wenn sie zu gut ist? «Dann leben sie auch miteinander.»

Dass aus Priester und Haushälterin ein Paar geworden ist oder die heimliche Freundin zur Haushälterin wurde: «Das wird es immer wieder und wieder geben. Es liegt in der Natur der Dinge, wenn man zusammen lebt und es funkt», findet Eva Groß. Das Zölibat möchte sie deshalb aber nicht infrage stellen, obwohl sie schon mit ihrem Bruder darüber spricht, ob auf diese Weise nicht pädophile Neigungen gefördert werden könnten. Dass Priester ehelos sind, ist Teil ihrer Erziehung. «Mein Bruder meinte, er könne es leben, und jetzt, mit 66, kann man sagen, er hat es geschafft», sagt sie treuherzig.

Ganz offen könne sie mit dem Pfarrer über diese Themen reden. Erst kürzlich habe er von einem Mitbruder erzählt, der aufgehört hat. «Man sollte ehrlich dazu stehen», findet Eva Groß – auch, wenn die Gemeinde natürlich regen Anteil nimmt. Sie kennt ein Paar, das geheiratet und vier Töchter bekommen hat. «Erst hatte er keine Frau, und jetzt sind es fünf.»

ham/news.de