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Hadestown: Mit Geschichten aus der Antike gegen Trump und Co.

Hadestown vom 20.03.2019 in New York. (Symbolbild) Bild: picture alliance/dpa/DKC O&M Co./AP | Matthew Murphy

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  • Hadestown im Lyrical Theatre, London, 02.07.2025
  • Neuinterpretation des Orpheus-Eurydice-Mythos kritisiert Despotie und Pessimismus
  • Musical von Anaïs Mitchell mit aktueller Message, aber charakterlicher Schwäche

Hadestown am 2. Juli 2025 im Lyric Theatre in London überzeugt als rasante, atmosphärisch dichte Neuinterpretation des Orpheus-, Eurydice- und Persephone-Mythos. Anaïs Mitchells Musical, inszeniert mitreißend von Rachel Chavkin, entfaltet eine düstere und zugleich treffende Welt, in der Liebe, Opferbereitschaft und soziale Ausbeutung aufeinandertreffen. Die Geschichte bleibt spannend und tragisch, wagt dabei aber nicht den Sprung in die philosophische Tiefe der Griechen und beleuchtet eindringlich das Ringen zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Dabei erklingen aus den Posaunen, den Stimmen und Chören die Klänge aktueller Probleme der Zeit, ohne sich als einzige Wahrheit aufzudrängen. Die exzellente Besetzung überzeugt besonders durch ihre kraftvollen Stimmen: Chris Jarman verleiht Hades eine bedrohlich-faszinierende Aura, Grace Hodgett Young überzeugt als verletzliche, kämpferische Eurydice und Melanie La Barrie führt als charismatischer Hermes souverän durch das Geschehen.

In einem mehrstöckigen Theaterraum im Herzen Londons, am Piccadilly Circus, warten vor allem Teenager und junge Erwachsene auf das Erscheinen der Schauspieler. Als sich die ersten Figuren auf der mit Holzdielen, einem Tisch und mehreren Ein- und Ausgängen karg geschmückten Bühne zeigen, grölt die Menge der Zuschauenden. Hermes, der Erzähler der Geschichte, hier gespielt von Cedric Neal, tritt in einem silbernen Anzug auf, zu den Beats eines rasanten Gospels, und animiert das Publikum zum Mitklatschen. Durchgehend im Stück bindet er das Publikum ein und fungiert als Sprecher der Handlung. Dabei erzählt er sachlich, wirkt aber zugleich als emotionale Verbindung.

Musikalische Revolte im Herzen Londons

Das Stück ist durchzogen von heiteren bis traurigen Stimmen des Gospels, Jazz, Folk, Bluegrass und Soul. Damit wird nicht nur eine passende, wechselnde Stimmung eingeflochten, sondern auch eine Verbindung zur Schwarzen Befreiungskultur der USA hergestellt, die passender denn je zum Hauptthema des Musicals passt: „Why We Build the Wall". Hier lässt sich ein aktueller vergleich zu Donald Trump, Benjamin Netanyahu und Putin Trump nicht vermeiden. Speziell Hades' despotische Mission, eine industrielle Unterwelt zu errichten, die die Arbeiter:innen überzeugen soll, dass nur sie das Recht auf ihr Land haben und diese Sicherheit mit dem Bau einer Mauer selbst erhalten, ist bedrückend aktuell.

Orpheus erscheint als naiver junger Mann, der anfangs als Kellner arbeitet und den Boden der hölzernen Dielen fegt, während er im Hinterzimmer sein Lied schreibt, das den Frühling zurückbringen soll; dargestellt von Persephone, die von Hades entführt wurde. Doch Orpheus fehlt noch eines: die Liebe, verkörpert durch Eurydice. Diese klassische Verbindung des Dichters, der die richtigen Worte nur durch die Inspiration der Liebe findet, mag pedantisch wirken, entfaltet aber eine eindrucksvolle Ausgang.

Hoffnung bleibt die Message des Stück. Gespannt sitzt das Publikum da, als Orpheus die Wette gegen Hades zu gewinnen scheint und Eurydice aus der Unterwelt führt. Doch natürlich schaut er zurück, verliert sie und steht wieder allein in der Welt. Doch so endet das Stück nicht. Das Publikum, gebannt von der emotionalen Härte des Verlustes, hält Erwartungsvoll den Atem an. Es kehrt ruhe an. Doch dann beginnt sich wieder etwas zu rütteln. Orpheus nimmt erneut den Besen in die Hand. Ein Twist zur Hoffnung, zum Wiedererzählen, zum Weitererzählen auf.

Das Bühnenbild trägt zur rasanten Atmosphäre und zum Klang des Stücks bei. Es rotiert, verschiebt sich, öffnet neue Räume und lässt einen runden Fahrstuhl in der Mitte verschwinden. Im entscheidenden Moment des Kampfes der Überzeugung zwischen Orpheus und Hades rotieren die Plattformen von Hadestown, der Fahrstuhl fährt ab, und auf mehreren Ebenen stehen die gebannten Performer:innen um das Paar herum.

Despotie, Pessimismus und die Macht der Musik

Am Ende verlässt das Publikum den Saal bewegt, euphorisch, ja fast revolutionär gestimmt von der Energie, der Musik und der gerissenen Neuinszenierung. Dennoch bleiben Fragezeichen bei den Figuren zurück. Orpheus tritt nur wenige Male in zerrissenen Szenen auf, ebenso Eurydice, die hier und da etwas singt, tanzt und ruft. Mehr als Ambitionen und Emotionen bietet das Stück in den Charakteren nicht. Hier und da mangelt es an Tiefe, was jedoch die atmosphärische Wirkung kaum schmälert und den passenden und aktuellen Aufschwung von Mythologischen Musicals unterschreibt.

/news.de