Von news.de-Redakteurin Ines Weißbach, Hamburg - Uhr

Janette Rauch: Lieber Bier zapfen als Telenovela spielen

In Notruf Hafenkante spielt sie eine taffe Polizistin, bekannt wurde Janette Rauch durch ihre Rollen in Hape-Kerkeling-Filmen. Zwischendurch stand sie für eine Telenovela vor der Kamera. Ein emotionales Gespräch über Glattziehwahn und die Freude an Haudraufkomödien.

Dahin möchte Janette Rauch (links) auf keinen Fall zurück: Auch wenn Christian Wulff sie und ihre Kollegin Angela Roy bei der Telenovela Rote Rosen besucht hat. (Foto) Suche
Dahin möchte Janette Rauch (links) auf keinen Fall zurück: Auch wenn Christian Wulff sie und ihre Kollegin Angela Roy bei der Telenovela Rote Rosen besucht hat. Bild: dpa

Frau Rauch, wie kamen Sie zu Ihrer Rolle bei Notruf Hafenkante?

Rauch: Durch ein Casting. Trotz 30 Jahren Berufserfahrung und vorheriger Prominenz. Beim Casting geht es ja auch darum zu schauen, wie ist die Chemie zwischen den Schauspielern? Und Serhat und ich hatten einen Heidenspaß.

Serhat Cokgezen spielt Polizeimeister Tarik Coban, ihren Kollegen. Sie sind Polizeihauptmeisterin Claudia Fischer. Er hat die lustigere Rolle abbekommen, für die Sie sonst bekannt sind.

Rauch: Ja, aber meine Figur darf sich noch entwickeln. Ich kann noch nicht so virtuos aufspielen, wie ich es sonst gerne mache. Bei Hape Kerkeling in Die Oma ist tot oder Samba in Mettmann konnte ich mich austoben. Ich liebe es, diese skurrilen Figuren zu spielen. Die Charaktere bei Notruf Hafenkante haben eine andere Spannung, meine Figur hat ein Geheimnis, wo man sich immer fragt: Wer ist das? Ich finde die Gegensätze spannend.

Man hat schon fast Mitleid mit ihrem jungen Kollegen Tarik, wenn Sie ihn mit einem kritischen Blick strafen.

Rauch: Ich konnte es auch lange nicht einschätzen: Ist die jetzt unsympathisch? Bei den Gesprächen mit der Producerin entwickeln wir die Figur aber weiter. Die erste Regieansage war ja: Das ist eine Frau mit eckigen Eiern. Diese Fallhöhe zwischen uns beiden, macht die Spannung aus. Wo man sich fragt: Geht das gut? Wächst das zusammen? Oder hauen sie sich irgendwann die Köppe ein? Es wird spannend zu erzählen, wie die beiden Menschen sich kennenlernen. Meine Figur hat einen ganz trockenen Humor. Er zappelt die ganze Zeit herum und sie bringt einen trockenen Abschlusssatz. Die Unterschiede zwischen seiner türkischen Kultur und mir werden sich im Laufe der Zeit noch herauskristallisieren. Da freue ich mich schon drauf. Tarik soll den Zuschauern ruhig erst mal eine Weile leidtun (lacht).

Welchen Hintergrund hat Ihre Figur Claudia Fischer?

Rauch: Sie ist eine Frau, die auf dem Kiez aufgewachsen und schon sehr lange im Polizeidienst ist. Sie ist durch ihre Erfahrung professionell und unglaublich klar. Das ist eine Frauenfigur, die es so noch nicht gibt im deutschen Fernsehen. Ich kämpfe auch um die privaten Einblicke. Ich denke, da wird sich eine Menge tun.

Für die Vorbereitung sind Sie mit der Hamburger Polizei Streife gelaufen. Was wussten Sie vorher noch nicht über den Polizeidienst?

Rauch: Wie viel Sozialarbeit dabei ist. Schießereien gibt es selten. Es ist wichtig, Situationen einzuschätzen. Ich hatte vorher nur das Bild von den Pistolen an der Hüfte. Bisher kannte ich die Polizei ja nur von der anderen Seite, wenn ich mal mit dem Auto angehalten worden bin oder Scheiße gebaut habe (lacht). Was selten vorkam in meinem Leben.

Wie kommen Sie als Wahl-Bremerin mit den Hamburgern klar?

Rauch: Ich habe hier sechs Jahre gelebt, bevor ich nach Bremen gegangen bin. Ich liebe Hamburg sehr. Es ist noch ein bisschen kühler als in Bremen. Ich genieße es, wieder in der Großstadt zu sein. Obwohl wir gar nicht so viel Zeit haben. Ich stehe morgens um 5 auf, werde 6.30 Uhr abgeholt, dann geht’s nach Poppenbüttel. Und abends bin ich zwischen 6 und 7 fertig. Da geht man nicht mehr raus.

Sie haben vorher bei der Telenovela Rote Rosen mitgespielt, mit täglichen Dreharbeiten. Haben Sie jetzt mehr Freiheiten?

Rauch: Ja, wir haben acht Folgen Notruf Hafenkante gedreht und im Mai geht es weiter mit den nächsten. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied. Ich würde so ein Format wie Rote Rosen oder überhaupt Telenovela nie wieder drehen. Da würde ich lieber wieder Bier zapfen.

Weil es so anstrengend ist?

Rauch: Ja, es ist anstrengend und ein solches Runtergerotze. Ich kann das nicht mehr. Nicht, weil man ethisch nicht dahinter steht, sondern weil die Fließbandarbeit von den Kräften her einfach nicht mehr geht. Im Älterwerden möchte ich die Möglichkeit haben, wirklich wieder mit einem Regisseur zusammenzuarbeiten und nicht nur abzuliefern.

Was machen Sie in den Drehpausen von Notruf Hafenkante? Gibt es weitere Projekte?

Rauch: Ich habe mein Märchenkosmosprojekt, für das ich einen Präsentationsfilm erarbeitet und ein Bühnenmodell gebaut habe. Außerdem studiere ich in Hamburg noch Marketing.

Sie studieren neben der Schauspielerei?

Rauch: Ja, weil mich das interessiert. Nach den Roten Rosen gab es einen Punkt, an dem ich gesagt habe: Ich will als Frau aus dieser Abhängigkeit raus. Kriege ich eine Rolle, kriege ich keine? Der Schnack da draußen wird immer härter. Mittlerweile sind alle in einem Glattziehwahn, wo man für sich eine Entscheidung treffen muss: Mache ich das mit? Oder will ich was anderes? Ich habe beim Märchenkosmos meiner Kreativität schon freien Lauf gelassen und muss jetzt schauen, wie ich die Dinge verkaufe. Ich freue mich natürlich auch, wenn noch andere Produktionen kommen. Aber ich bin nicht gewillt, an meinem Gesicht rumzerren zu lassen.

Wollen Sie sich auf lange Sicht komplett aus der Schauspielerei zurückziehen?

Rauch: Nein, ich liebe meinen Beruf. Es geht mir nur um Absicherung. Ich habe zwar am Theater angefangen, sonst aber nur Fernsehen gemacht. Das Theater hat mich so verschreckt, dass ich dahin nicht mehr zurück will. Durch mein Äußeres, das früher noch ein bisschen anders war (lacht), durfte ich viel drehen. Ich habe die Welt bereist und so viel schöne Dinge erlebt. Ich freue mich, dass ich jetzt noch mal so einen Sechser ziehe wie mit Notruf Hafenkante. Aber ich habe schon daran gearbeitet, meinen inneren Frieden zu finden, wenn mal die Rollen ausbleiben. Und nicht in dieser Warteposition zu verharren, denn die ist schmerzhaft, die nimmt einem den Selbstwert. Das Problem haben viele Kolleginnen in meinem Alter. Deshalb nutze ich die Zeit zwischendurch, auch noch was anderes zu machen.

Eigentlich gibt es doch genügend Rollen für reifere Schauspielerinnen im deutschen Fernsehen. Sie werden nur ständig mit den gleichen Leuten besetzt.

Rauch: Das ist eine Vetternwirtschaft, wo es schwer ist, den Fuß in die Tür zu kriegen. Deutschland besteht zum größten Teil aus Angst. Ich kann es schon nicht mehr hören, wenn ein Redakteur sagt, dass wir jetzt wieder die und die nehmen, weil es sich in der Quote bewährt hat. Auch andere sollten mal wieder eine Chance bekommen. Ich persönlich kann mich aber nicht beklagen. Ich habe das Gefühl, dass alle mit den ersten Folgen Notruf Hafenkante sehr glücklich sind.

Darf es für Sie aber auch mal wieder eine Komödie sein?

Rauch: Unbedingt. Ich habe jetzt gerade wieder eine gedreht: Zwei für alle Fälle. Das war saukomisch. Das Ernste ist mir immer so anheim gelegt worden, die etwas strengeren Charaktere. Ich freue mich aber, wenn ich zwischendurch eine richtig blöde Haudraufkomödie spielen kann. Ich glaube, ich muss Hape anrufen und ihm sagen: Schreib jetzt mal wieder was. (lacht)

Janette Rauch (49) ist Kino- und Fernsehschauspielerin. Neben Hape Kerkeling war sie in Die Oma ist tot und Samba in Mettmann zu sehen. Hauptrollen übernahm sie auch in den Serien Rote Rosen, Wilsberg und Alpha-Team. Ab 17. März ist sie als Polizeihauptmeisterin Claudia Fischer in der ZDF-Serie Notruf Hafenkante zu sehen.

Notruf Hafenkante, immer donnerstags 19.25 Uhr im ZDF

ruk/reu/news.de

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