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Ukraine-Krieg im News-Ticker: Russlands Militär nimmt Ölraffinerie in Lyssytschansk ein

Die Lage im umkämpften Osten bleibt für die Ukraine weiter sehr ernst. Auch anderswo gehen russische Luftangriffe weiter: Eine Rakete tötet zehn Menschen im Gebiet Odessa. Die aktuellen Nachrichten aus dem Ukraine-Krieg im Überblick.

Wladimir Putin ließ in der Nacht Odessa bombardieren. (Foto) Suche
Wladimir Putin ließ in der Nacht Odessa bombardieren. Bild: picture alliance/dpa/Pool Sputnik Kremlin/AP | Evgeny Biyatov

Während Russland in der Ostukraine weiter seine militärische Überlegenheit ausspielt, kann Kiew über die Rückeroberung der symbolträchtigen Schlangeninsel im Schwarzen Meer jubeln. Präsident Wolodymyr Selenskyj bietet Europäern derweil an, russische Erdgas-Lieferungen durch Strom aus seinem Land zu ersetzen. Im Gebiet Odessa wurden nach ukrainischen Angaben zehn Menschen beim Einschlag einer russischen Rakete in ein Mehrfamilienhaus getötet.

Ukraine-Krieg im News-Ticker - Alle aktuellen Entwicklungen am 01.07.2022 im Überblick

+++ Moskau erwägt Abbruch diplomatischer Beziehungen mit Bulgarien +++

Nach der angekündigten Ausweisung 70 russischer Diplomaten aus Bulgarien erwägt Moskau den kompletten Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Russlands Aufforderung an Bulgarien, die bislang größte Diplomaten-Ausweisung in dem EU-Land zurückzunehmen, sei ignoriert worden, kritisierte Russlands Botschafterin in Sofia, Eleonora Mitrofanowa, am Freitag der Agentur Interfax zufolge. Deshalb werde nun die Schließung der gesamten russischen Botschaft diskutiert. Das wiederum würde «unweigerlich» auch das Ende für die Arbeit von Bulgariens Botschaft in Moskau bedeuten, so Mitrofanowa.

Bulgarien hatte am Dienstag die Ausweisung von 70 russischen Diplomaten bis Ende dieser Woche angekündigt. Ein Großteil der Diplomaten habe "direkt für fremde Dienste" gearbeitet, hieß es zur Begründung. Der einstige Ostblockstaat hat in der Vergangenheit immer wieder russische Diplomaten wegen Spionagevorwürfen des Landes verwiesen - seit 2019 waren es insgesamt 21.

Das EU- und Nato-Land Bulgarien verurteilt den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zudem hat sich Sofia geweigert, für russisches Gas in Rubel zu bezahlen. Deswegen stellte der russische Energiekonzern Gazprom bereits die Gaslieferungen nach Bulgarien ein.

+++ Russlands Militär meldet Kontrolle über Ölraffinerie in Lyssytschansk +++

Russlands Militär rückt in der schwer umkämpften ostukrainischen Stadt Lyssytschansk eigenen Angaben zufolge immer weiter vor. Mittlerweile sei die Ölraffinerie der Großstadt im Luhansker Gebiet unter russischer und prorussischer Kontrolle, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow, am Freitag. Die ukrainische Seite hingegen bezeichnete das Raffineriegelände am Morgen weiter als umkämpft.

Die Ukrainer erlitten in und um Lyssytschansk hohe Verluste, sagte Konaschenkow. Zuletzt seien pro Tag rund 200 gegnerische Soldaten getötet worden. "Es ist ein unorganisierter Abzug einzelner Einheiten der ukrainischen Streitkräfte aus Lyssytschansk zu beobachten." Unabhängig überprüfen ließen sich diese Angaben nicht.

Lyssytschansk ist der letzte große Ort im Gebiet Luhansk, den die ukrainischen Truppen noch halten. Die Eroberung des Gebiets ist eines der erklärten Ziele Moskaus in dem bereits seit mehr als vier Monaten andauernden Krieg. In der vergangenen Woche hatte das ukrainische Militär die nur durch einen Fluss von Lyssytschansk getrennte Großstadt Sjewjerodonezk aufgeben müssen.

+++ Putin drängt Ausländer aus Förderkonsortium Sakhalin Energy +++

Kremlchef Wladimir Putin hat die Umregistrierung des milliardenschweren Öl- und Gasförderkonsortiums Sakhalin Energy angeordnet. Damit droht den ausländischen Aktionären Shell, Mitsui und Mitsubishi der Verlust ihrer Anteile. "Die russische Regierung erschafft eine russische GmbH, auf die (...) alle Rechte und Pflichten der Sakhalin Energy Investment Gesellschaft übergehen", heißt es in dem Präsidentenerlass, der am Donnerstagabend veröffentlicht wurde.

Alle Eigentumsrechte des Joint Ventures werden damit an Russland übergeben. Die Altaktionäre - Gazprom (50 Prozent plus eine Aktie), Shell (27,5 Prozent minus eine Aktie), Mitsui (12,5 Prozent) und Mitsubishi (10 Prozent) - dürften sich an der noch zu bildenden Betreibergesellschaft beteiligen. Die Tageszeitung «Kommersant» nannte dies in ihrer Freitagsausgabe einen "Loyalitätstest". Die Änderungen in der Eigentümerstruktur begründete Putin mit den westlichen Sanktionen, die eine Gefahr für das Weiterbestehen der Produktion darstellten.

Sollten sich die ausländischen Unternehmen weigern, sich an dem neuen Schema zu beteiligen, will die russische Regierung deren Anteile innerhalb von vier Monaten verkaufen, den Erlös aber auf ein Sperrkonto überweisen, an das die Unternehmen nicht herankommen.

Zudem soll die russische Regierung in dem Fall eine Prüfung der ausländischen Unternehmen durchführen, um wegen möglicher Umweltschäden in Russland Kompensationsforderungen zu erheben. Mit diesem Druckmittel hat Moskau schon 2006 die Aufnahme von Gazprom in das zuvor rein ausländische Konsortium durchgesetzt. Die Aktien der japanischen Konzerne Mitsui und Mitsubishi gaben am Freitag im frühen Handel wegen der Nachricht stark nach.

Kremlsprecher Dmitri Peskow widersprach am Freitag der These, dass es sich um einen Präzedenzfall für die Enteignung anderer ausländischer Unternehmen zugunsten des Staates handle. Japan, das derzeit rund 9 Prozent seiner Gasimporte aus Russland bezieht, reagierte zunächst verhalten. «Wir müssen mit dem Betreiber kommunizieren und überlegen, wie wir reagieren», sagte Regierungschef Fumio Kishida. Von Mitsui und Mitsubishi hieß es lediglich, man prüfe die Fakten.

Sakhalin Energy fördert Öl und Gas vor der russischen Fernostinsel Sachalin. Zudem gehört dem Konsortium eine Gasverflüssigungsanlage (LNG). Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen 2020 37,9 Millionen Barrel Öl und 11,6 Millionen Tonnen Flüssiggas verschifft.

+++ Ukraine: Mindestens 18 Tote bei Angriffen nahe Odessa +++

Die Zahl der Toten infolge russischer Raketenangriffe nahe Bilhorod-Dnistrowskyj im Süden der Ukraine nahe der Großstadt Odessa ist nach ukrainischen Angaben auf mindestens 18 gestiegen. Dies teilte der Militärgouverneur des Gebiets Odessa, Maxym Martschenko, am Freitag auf seinem Telegram-Kanal mit. Zunächst war von zehn Todesopfern diee Red gewesen. Mindestens 39 Menschen wurden diesen Angaben zufolge verletzt.

Der Militärverwaltung zufolge schlugen insgesamt drei russische Raketen ein. Dabei seien ein Mehrfamilienhaus und ein Erholungszentrum getroffen worden. Die Raketen des Typs X-22 seien von russischen Tu-22-Bombern über dem Schwarzen Meer abgefeuert worden. Angaben aus den Kampfgebieten lassen sich von unabhängiger Seite kaum überprüfen.

Seit Beginn der russischen Invasion Ende Februar haben die Vereinten Nationen mehr als 4700 getötete Zivilisten erfasst. Die UN geht aber von weitaus höheren zivilen Opferzahlen aus.

+++ Kiew: Russische Truppen versuchen Einkreisung von Lyssytschansk +++

Die Lage im Osten der Ukraine rund um die von russischen Truppen belagerte Großstadt Lyssytschansk spitzt sich nach Angaben aus Kiew zu. "Der Feind konzentriert seine Hauptanstrengungen auf die Einkreisung der ukrainischen Soldaten in Lyssytschansk von Süden und Westen her und die Herstellung der vollständigen Kontrolle über das Gebiet Luhansk", teilte der ukrainische Generalstab am Freitag in seinem Lagebericht mit. Von unabhängiger Seite sind Angaben aus den Kampfgebieten kaum zu überprüfen.

Lyssytschansk ist der letzte große Ort im Gebiet Luhansk, den die ukrainischen Truppen noch halten. Die Eroberung des Gebiets ist eines der erklärten Kriegsziele Moskaus. Auch in den Vororten der Großstadt wird gekämpft. Der russische Versuch, ein Teilstück der Versorgungsroute Bachmut-Lyssytschansk unter Kontrolle zu bringen, sei hingegen gescheitert, berichtete der Generalstab.

Zugleich haben die russischen Truppen nach ukrainischen Angaben ihre militärischen Aktivitäten Richtung Kramatorsk verstärkt. Die Großstadt Kramatorsk ist der südliche Punkt des Ballungsraums Slowjansk-Kramatorsk, der vor dem Krieg rund eine halbe Million Einwohner hatte.

Bisher hatten die russischen Truppen vor allem vom Norden her versucht, auf den Raum vorzurücken. Auch am Freitag wurden aus dieser Richtung Artilleriegefechte aus mehreren Vororten von Slowjansk gemeldet. Eine russische Bodenoffensive gab es hier nach ukrainischen Informationen allerdings nicht. Unabhängig konnten die Angaben nicht überprüft werden.

+++ Selenskyj feier Rückeroberung: Schlangeninsel strategisch wichtig +++

Der russische Rückzug von der Schlangeninsel bringt die Ukraine nach Worten von Selenskyj in eine bessere Position. "Die Schlangeninsel ist ein strategischer Punkt und das verändert erheblich die Situation im Schwarzen Meer", sagte er in der Nacht zum Freitag in seiner täglichen Videoansprache. Die Handlungsfreiheit des russischen Militärs werde dadurch deutlich eingeschränkt - auch wenn dies noch keine Sicherheit garantiere.

Russland hatte die Schlangeninsel kurz nach dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar besetzt. Dass davor die wenigen ukrainischen Soldaten dem später gesunkenen russischen Kreuzer "Moskwa" in obszönen Worten empfahlen, sich zum Teufel zu scheren, machte das kleine Eiland berühmt und stärkte die Moral der Ukrainer. Damit ist die Rückeroberung der Insel für sie auch ein symbolischer Erfolg.

Nach ukrainischen Militärangaben erlaubt die Schlangeninsel die Kontrolle über Teile der ukrainischen Küste und Schifffahrtswege. Mit dem Rückzug der Russen von der Insel müsse das Gebiet um die Hafenstadt Odessa keine Landung russischer Einheiten vom Meer her befürchten.

+++ Militärverwaltung: Zehn Tote durch Raketenangriff bei Odessa +++

Luftschläge bleiben aber weiterhin möglich, wie das russische Militär wenige Stunden nach dem Abzug von der Schlangeninsel demonstrierte. Bei einem russischen Raketenangriff im Gebiet Odessa wurden nach ukrainischen Angaben zehn Menschen in einem Mehrfamilienhaus getötet. Die Rakete habe einen Teil des neunstöckigen Gebäudes zerstört, teilte der Chef der örtlichen Militärverwaltung, Serhij Bratschuk, mit. Nach der Attacke sei ein Brand ausgebrochen. Die Rakete sei von einem russischen Militärflugzeug über dem Schwarzen Meer abgefeuert worden. Die Angaben waren nicht unabhängig zu überprüfen.

+++ Kämpfe um Raffinerie westlich von Lyssytschansk +++

Im ostukrainischen Gebiet Luhansk sind die regierungstreuen Truppen in Lyssytschansk nach eigenen Angaben akut von einer Einschließung bedroht. Die knapp sieben Kilometer westlich der Stadt gelegene Raffinerie sei umkämpft, teilte der Generalstab mit. Russische Truppen rückten aus dem Süden auf die Stadt vor, auch an der westlichen und südlichen Stadtgrenze werde gekämpft. In russischen Medien wurde die Raffinerie bereits als komplett erobert dargestellt.

Lyssytschansk ist der letzte größere Ort im Luhansker Gebiet unter ukrainischer Kontrolle. Zuletzt konnte er nur noch über wenige Versorgungsrouten aus dem Westen mit Nachschub versorgt werden.

Im benachbarten Donezker Gebiet seien russische Vorstöße bei Slowjansk und Bachmut zurückgeschlagen worden, teilte der Generalstab mit. Entlang der gesamten Frontlinie würden ukrainische Stellungen kontinuierlich mit Artillerie beschossen und aus der Luft bombardiert. "Die Überlegenheit der Besatzer bei der Feuerkraft ist extrem spürbar", sagte Selenskyj zur Lage im Osten. Russland greife dafür auf seine Reserven zurück.

+++ Selenskyj: Strom aus Ukraine kann russisches Erdgas ersetzen +++

Der ukrainische Präsident warb bei europäischen Ländern dafür, Strom aus der Ukraine zu beziehen. Damit könne ein erheblicher Teil der Erdgaslieferungen aus Russland ersetzt werden, sagte er. Seit Donnerstag liefert die Ukraine Strom nach Rumänien. "Wir sind bereit, das Angebot auszubauen", sagte Selenskyj. Die Ukraine hatte sich Ende Februar vom ehemals sowjetischen Stromnetz abgekoppelt und zusammen mit Moldau im März mit dem europäischen Stromnetz synchronisiert. Bereits vergangene Woche bot Kiew Deutschland den Export von ukrainischen Atomstrom an. Über die Hälfte der Stromproduktion der Ukraine stellen vier Atomkraftwerke sowjetischer Bauart sicher.

+++ Steinmeier telefoniert wieder mit Selenskyj +++

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier telefonierte erneut mit Selenskyj. Das Gespräch habe rund eine Stunde gedauert, hieß es aus dem Bundespräsidialamt. Steinmeier habe dabei unter anderem die Ukraine zum EU-Beitrittskandidatenstatus beglückwünscht. Selenskyj sagte, er habe sich für die bereits gewährte Unterstützung bedankt. Zugleich habe er "noch einmal unsere Prioritäten beschrieben - die Arten von Waffen, die wir brauchen".

Selenskyj und Steinmeier hatten Anfang Mai ein erstes Mal telefoniert und vorherige Irritationen ausgeräumt. Diese waren entstanden, nachdem die ukrainische Seite Mitte April Steinmeier unter Verweis auf seine frühere Russland-Politik als Außenminister ausgeladen hatte.

+++ Russische Zugverbindung zwischen Krim und besetzten Gebieten später +++

Russland verschob den für Freitag angekündigten Start einer Zugverbindung zwischen der 2014 annektierten Halbinsel Krim und den im Krieg besetzten ukrainischen Städten Cherson und Melitopol. Die prorussischen Krim-Behörden verwiesen auf Sicherheitsbedenken. Busverbindungen sollen aber wie angekündigt verfügbar sein. Russland versucht, unter anderem mit der Ausgabe russischer Pässe und der Einführung des Rubel als Währung seine Kontrolle über die im Krieg besetzten Gebiete zu zementieren.

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