news.de
mehr als Nachrichten
Die Frage zwischen nationaler Identität und Extremismus tut sich immer wieder auf. Wo brennt es in Deutschland und ist der Verfassungsschutz am Ende?
Vor 15 Jahren explodierte in der Keupstraße in Köln eine Nagelbombe, gezündet durch die rechtsradikale Gruppierung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). 22 Menschen wurden teils schwer verletzt!
Kurz vor dem Jahrestag fanden die Anwohner der Straße neo-nationalsozialistische Flugblätter der verbotenen „Atomwaffendivision Deutschland" in ihren Briefkästen vor, in welchen zur Gewalt gegen Ausländer aufgerufen wird. Das Flugblatt endet mit den Worten: „Moslems! Verlasst Deutschland! Gezielte Angriffe auf Euch werden bald starten."
Ein düsteres Szenario zeigte nur einige Tage zuvor der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Baden-Württembergs, Thomas Strobl (CDU), bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes 2018 auf: Es wird zunehmend gefährlicher auf den Straßen! Nachdem Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube bereits im vergangenen Februar betont hatte, dass ihre Behörde an der Grenze ihrer Belastbarkeit stehe, kündigte Strobl 36 neue Posten zu den bisherigen 376 Personalstellen und eine Aufstockung der Sachausgaben in der Höhe von 3,2 Millionen € (bisher: 4,3 Mio) an. Die Massnahme dürfte in Anbetracht der Fakten des Berichtes der Verfassungsschützer auch dringend nötig sein.
Die Zahl der Extremisten hat im Vergleich zum Vorjahr in allen Bereichen zugelegt. Besonders bedenklich: Entgegen des bundesweiten Rückganges der Mitgliederzahlen rechtsextremer Vereinigungen legte diese Personengruppe im vergangenen Jahr zwar nur um 70 neue aktenkundige Mitglieder auf 1.700 zu, die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten jedoch stieg eklatant an. Die Reichsbürger zählen derzeit 3.200 Anhänger, das sind um 700 mehr als noch 2017. 170 Neuzugänge gab es bei den Linksextremisten (Gesamt 2018: 2.950). Der Verfassungsschutz vermeldet bei den islamistischen Extremisten einen starken Rückgang an Straftaten, obgleich inzwischen rund 4.000 Menschen in dieser Szene bekannt sind. 950 davon Salafisten - ein Plus von 200. Stark zugenommen haben jedoch die Straftaten kurdischer und türkischer Extremisten.
Ähnliche Tendenzen gibt es auch in den bereits zuvor veröffentlichten Verfassungsschutzberichten der Bundesländer Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.
In Rheinland-Pfalz warnt Innenminister Roger Lewentz vor allem vor dem Missbrauch Sozialer Medien zum Zwecke der Mobilisierung bei Straßenaktionen und der Propaganda dieser Gruppen. Dabei werde von Rechtsextremen v.a. Angst gegenüber Minderheiten wie Asylanten geschürt, gewaltbereite Linksextremisten nutzen das Internet, um die Berichterstattung über deren Aktionen, wie dem Hambacher Forst, zu beeinflussen. Und die Islamisten schließlich betreiben Recruiting durch die individuelle Selbstradikalisierung Jugendlicher.
In Mecklenburg-Vorpommern appelliert Innenminister Lorenz Caffier zur Beherzigung historischer Erfahrungen und entschiedener Bekämpfung politischer Extremisten. An der Ostsee sind vor allem die politisch motivierten Gewalttaten von „Links" angestiegen - um nahezu 100 %.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius warnt vor einer Zunahme der Aktivitäten in linksextremen und salafistischen Kreisen. Allerdings dürfe auch weiterhin für die anderen Gruppierungen keine Entwarnung gegeben werden: „In allen ExtremismusPhänomenen stellen wir Aktivitäten und Entwicklungen fest, die weiterhin die höchste Aufmerksamkeit unserer Sicherheitsbehörden erfordern."
„Sie versuchen mit der Symbolkraft der deutschen Hauptstadt eine möglichst große Öffentlichkeit für ihre Aktionen herzustellen!", soweit der Berliner Senator für Inneres und Sport, Andreas Geisel. Deshalb bleibe die Gefährdungslage durch den islamistischen Terrorismus unverändert hoch.
Auch Deutschlands nördlichstes Bundesland Schleswig-Holstein liegt im Trend. Innenminister Hans-Joachim Grote sieht weiterhin die größte Herausforderung im islamistischen Extremismus, da vornehmlich die Zahl der Salafisten zugenommen hat. Diese agieren jedoch zusehends weniger in der Öffentlichkeit und führen ihre „Missionierungsarbeit" verstärkt im privaten Bereich fort. Während hauptsächlich die Waffenankäufe in der rechtsextremen Szene und den Reichsbürgern Sorgenfalten aufkommen lassen, verschiebt sich die linksextreme Szene immer mehr vom dogmatischen wieder zurück in das autonome Spektrum.
Leipzig war auch 2018 das Zentrum der sächsischen autonomen Szene und deren Gewalttaten. Soweit die Vorabfassung des sächsischen Verfassungsschutzberichtes.
Insgesamt legten alle Gruppierungen an Mitgliedern zu, die zudem für einen Anstieg der Straftaten verantwortlich zeichnen.
Zusammenfassend ist in diesen Verfassungsschutzberichten zu erkennen, dass zwar die Straftaten im Rahmen der politisch motivierten Kriminalität (PMK) zulegten (v.a. Propaganda- und Beleidigungsdelikte), das Personen-Potential jedoch abnahm (Rechts - ausser in Sachsen), stagnierte (Links) oder nur leicht anstieg (islamistisch).
Die Hauptaufgabe des Verfassungsschutzes besteht in der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, um dadurch Aktionen wie Anschläge, Morde und andere Kriminaldelikte zu verhindern. Immer wieder können dadurch Netzwerke gesprengt und terroristische Schläferzellen ausfindig gemacht werden. Doch auch in der Spionageabwehr sind diese Landesbehörden tätig.
Ausländische Nachrichtendienste versuchen nach wie vor an militärische, strategische, wissenschaftliche und technische Informationen zu gelangen bzw. Entscheidungsprozesse in Politik und Wirtschaft beeinflussen zu können. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz nennt die aktivsten beim Namen: Russland, China, die Türkei und andere Länder des Nahen Ostens!
US/add/news.de