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Über 200.000 Masern-Tote im letzten Jahr: Kinderarzt erklärt: "Erfolg der Impfung ist ihr größter Feind"

Jahrelang gab es auf der Erde große Fortschritte bei der Bekämpfung der Masern. Doch seit 2016 steigen die Fallzahlen wieder. Die Todeszahlen schnellen in die Höhe. Ein Kinderarzt erklärt, warum Impfungen für Kinder so wichtig sind und warum der Erfolg einer Impfung ihr größter Feind ist.

Durch eine gute Durchimpfungsrate kann ein Gemeinschaftsschutz erreicht werden. (Foto) Suche
Durch eine gute Durchimpfungsrate kann ein Gemeinschaftsschutz erreicht werden. Bild: dpa

Rund 207.500 Menschen sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO und der US-GesundheitsbehördeCDC im vergangenen Jahr an Masern gestorben. Die Zahl der Todesopfer stieg im Vergleich zu 2016 um 50 Prozent, wie es in dem Bericht von WHO und CDC heißt, der am Donnerstagabend in Genf veröffentlicht wurde. "Das waren Todesfälle, die man verhindern hätte können", sagte die WHO-Expertin Natasha Crowcroft. Besonders betroffen seien Länder in Afrika gewesen. Insgesamt wurden im Vorjahr fast 870.000 Menschen, die sich mit dem hochansteckenden Virus infiziert hatten, registriert. So viele wie seit 1996 nicht mehr.

Masern-Todeszahlen seit 2016 in die Höhe geschossen

Von 2010 bis 2016 hatte es dem Bericht zufolge hingegen noch gute Erfolge bei der Bekämpfung der Masern gegeben, so dass die Fallzahlen 2016 auf ein historisches Tief gesunken seien. Bei Masern, die als Kinderkrankheit gelten, können tödliche Komplikationen auftreten: Bis zur Einführung eines Impfstoffes 1963 starben laut WHO jährlich etwa 2,6 Millionen Menschen weltweit daran.

In mehreren Ländern erhielten jedoch laut Crowcroft zu wenige Kinder zeitgerecht die zwei Impfungen, die für die Immunisierung nötig sind. Zu großen Ausbrüchen kam es 2019 laut WHO in neun Ländern. Etwa in der Zentralafrikanischen Republik, in der Demokratischen Republik Kongo, Georgien, Kasachstan oder auch der Ukraine.

Durch hohe Impfbeteiligung kann Gemeinschaftsschutz vor Masern erreicht werden

Um Ausbrüche zu verhindern, müsse die Bevölkerung zu 95 Prozent durchgeimpft sein. Weltweit erhielten aber nach Angaben des Berichts nur etwa 85 Prozent die erste Impfung und nur rund 71 Prozent die zweite Impfung im richtigen Zeitfenster. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Gemeinschaftsschutz. "Wir (...) meinen damit, dass durch eine hohe Impfbeteiligung der Gemeinschaft auch diejenigen geschützt werden, die aufgrund einer Erkrankung oder ihres Alters nicht oder noch nicht geimpft werden können", so Kinderarzt Dr. Martin Terhardt im Interview mit der "Bild"-Zeitung.

Corona könnte Durchimpfungsraten negativ beeinflussen

Experten befürchten nun in Ländern mit schwacher Gesundheitsvorsorge durch die Corona-Pandemie noch schlechtere Durchimpfungsraten. "Wenn wir nicht schnell handeln, werden diese Länder neue Ausbrüche und noch mehr Tote erleben", sagte Crowcroft. Nach Schätzungen von WHO und CDC sind aktuell 94 Millionen Menschen in 26 Ländern gefährdet, ihre Masern-Impfungen zu verpassen.

Masern-Impflicht in Deutschland in Kindergärten und Schulen

In Deutschland schwankte die Zahl der Masernfälle bislang stark. In den Jahren 2010 bis 2019 zählte das Robert Koch-Institut zwischen 165 und 2465 Erkrankungen. Seit März 2020 gibt es in Kindergärten und Schulen in Deutschland eine Impfpflicht zur stärkeren Eindämmung von Masern-Erkrankungen. Warum Impfungen generell für Kinder sehr wichtig sind, erklärte Dr. Terhardt ebenfalls im Interview.

Darum sind Impfungen bei Kindern so wichtig

"Kinder kommen mit einem noch unerfahrenen Immunsystem auf die Welt. (...) Das Immunsystem ist dann neugierig und setzt sich mit sämtlichen Erregern auseinander, zu denen es Kontakt hat. Im Idealfall wird das Kind dann unbemerkt immun, im schlechteren Fall wird es krank und danach immun", so der Mediziner. Die Impfung wiederum hilft, den Schritt des Krankwerdens zu übergehen. Das Kind werde so immun gegen die Krankheit und für viele Jahre dagegen geschützt.

Besonders paradox: Der Erfolg der Impfungen ist zugleich ihr größter Feind. "Weil die Krankheiten durch die Impfungen nur noch ganz selten vorkommen, werden sie nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen", so Dr. Martin Terhardt.

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/news.de/dpa

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