Von news.de-Redakteur Jan Grundmann - Uhr

Mischwesen: Wie Forscher Tiere mit Menschen kreuzen

Wo verläuft die Grenze zwischen Mensch und Tier? Teile unseres Erbmaterial werden in Affen und Mäuse verpflanzt, die Briten kreieren eine Mensch-Kuh-Melange. Forscher wollen so Krankheiten heilen, die Politik hinkt hinterher. Jetzt hat sich der Ethikrat eingeschaltet.

Ein Löwe mit Menschenkopf: Das ägyptische Mischwesen sthet symbolisch für die Frage nach der Grenze zwischen Mensch und Tier. (Foto) Suche
Ein Löwe mit Menschenkopf: Das ägyptische Mischwesen sthet symbolisch für die Frage nach der Grenze zwischen Mensch und Tier. Bild: dpa

Die Forscher wollen nur das Beste, durch die Kreuzung von Mensch und Tier eine neue DNA schaffen, mit der Krankheiten geheilt werden können. Doch natürlich geht es schief, und Dren, die geheimnisvolle Mensch-Tier-Kreuzung dreht durch. Was sich im Film Splice - Das Genexperiment mit Oscar-Preisträger Adrien Brody wie pure Science-Fiction anfühlt, was in Sagen und Skulpturen von Nixen oder der Sphinx seit Jahrtausenden mit einem Schaudern des Fantastischen überwölbt wird, das ist in Laboren in vielen Teilen der Welt längst Realität.

Britische Forscher etwa haben im Jahr 2008 ein Mind erschaffen, halb Mensch, halb Rind. Für das Mischwesen aus Kuh und Mensch entnahmen sie humanes Erbgut aus einer menschlichen Hautzelle und injizierten es in die entkernte Eizelle einer Kuh. «Wir sind ethisch völlig korrekt vorgegangen», berichtete anschließend Professor John Burn.

«Man erhält dann ein Lebewesen, bei dem etwa 0,1 Prozent des Erbguts von einem Tier stammen und 99,9 Prozent von einem Menschen», warnt der Wiener Medizinethiker Matthias Beck. Es entstand aber keine Frankenstein-Kuh. Es sollten lediglich Stammzellen gewonnen werden, die zur Heilung menschlicher Krankheiten beitragen können. Denn mit einer befruchteten menschlichen Eizelle zu experimentieren, ist in vielen Teilen der Welt verboten - und solche Mischwesen sind die ideale Lücke. Auch wenn die zum Testzeitpunkt in Großbritannien noch nicht existierte. Das britische Parlament beeilte sich, den Versuch im Nachhinein zu legitimieren, indem ein entsprechendes Gesetz geschaffen wurde.

Mäuse mit menschlichem Erbmaterial piepsen tiefer

Die Frage, die sich bei solchen Versuchen stellt, ist eine alte: Wo verläuft die Trennlinie zwischen Tier und Mensch? Eine Maus, der menschliches Erbmaterial hinzugefügt wird, um die Wirkung von Medikamenten und Umweltgiften zu testen, ist vielleicht noch nicht menschlich. Vielleicht sind auch die Affen noch äffisch, auch wenn ihnen aus menschlichen Stammzellen gewonnene Nerven-Vorläuferzellen implantiert werden, um Krankheiten wie Alzheimer und Demenz zu erforschen. Und bereits seit mehr als 20 Jahren werden Herzklappen von Schweinen in Menschen transplantiert - ohne, dass der Mensch zu grunzen beginnt.

Problematisch werde es, wenn der Empfänger Eigenschaften des Spenders übernimmt. Den Menschen, so schreibt es der Deutsche EthikratDer Deutsche Ethikrat soll Empfehlungen abgeben zu ethischen und rechtlichen Fragen der Forschung und ihren Folgen für Individuum und Gesellschaft. Seine Mitglieder werden je zur Hälfte auf Vorschlag des Parlamentes und der Bundesregierung berufen. , der sich mit dem Problem beschäftigt hat, unterscheiden vier Elemente von Tieren: Sprach-, Kultur- und Moralfähigkeit sowie Selbstbewusstsein. Was aber ist mit Mäusen, die beispielsweise bereits in Versuchen ein für die menschliche Sprachentwicklung wichtiges Gen eingepflanzt bekommen? Und danach in tieferer Tonlage piepsten als ihre unveränderten Artgenossen?

In den 1980er Jahren gab es eine Kreuzung von Wachteln und Hühnern: «Man hat Wachtelzellen in Hühnerembryonen implantiert. Die geschlüpften Hühner zeigten dann Kopfnickbewegungen und Laute, wie sie für Wachteln typisch sind. Es wurden also Eigenschaften transferiert», so der Wiener Medizinethiker Matthias Beck.

Ethikrat: Entschlossen unentschlossen

In Deutschland sind solche bewussten Kreuzungen im Labor verboten. Nun hat sich der Deutsche EthikratDer Deutsche Ethikrat soll Empfehlungen abgeben zu ethischen und rechtlichen Fragen der Forschung und ihren Folgen für Individuum und Gesellschaft. Seine Mitglieder werden je zur Hälfte auf Vorschlag des Parlamentes und der Bundesregierung berufen. eingeschaltet, der nach zweijähriger Debatte seine Stellungnahme zu Mischwesen abgegeben hat. «Wir wollen eine klare Grenzziehung, damit es erst gar nicht zur Entstehung von Mensch-Tier-Mischwesen in der Forschung kommt», sagte der Sprecher der Arbeitsgruppe des Ethikrates, Wolf-Michael Catenhusen.

Die Empfehlungen des Ethikrates lauten: Haltet das Verbot aufrecht - und weitet es aus. Der Ethikrat plädiert für eine Erweiterung des Embryonenschutzgesetzes. Das schon bestehende Verbot, menschliche Embryonen auf ein Tier zu übertragen, sollte um ein Verbot der Übertragung tierischer Embryonen auf den Menschen ausgeweitet werden. Aber bislang ging es in der Forschung auch nicht um die Entstehung lebensfähiger Mensch-Tier-Kreuzungen.

Kreuzungen kommen in der Natur vor

Geht es um die Einsetzung menschliches Erbmaterials in Tiere, hangelt sich der Ethikrat um eine genaue Position herum: Grundsätzlich sei das Einbringen «ethisch statthaft»; nur bei einem «erheblichen» Anteil menschlichen Erbguts soll ein Verbot greifen. Die Kuh-Mensch-Kreuzung, so wie sie die Briten vorgeführt haben, stieß auf ein geteiltes Echo: Zwölf Mitglieder des Ethikrates halten dies für unbedenklich, weil diese Zellmasse weder als Mensch noch als Tier einzuordnen und auch keinesfalls als menschlicher Embryo zu betrachten sei. Hingegen fordern elf Mitglieder des Ethikrates die Aufnahme eines Verbots in das Embryonenschutzgesetz. Aus ihrer Sicht weisen diese Zellen alle Eigenschaften einer menschlichen befruchteten Eizelle auf.

In der Natur kommen artfremde Kreuzungen häufiger vor. So wiesen Forscher Ende der 1980er Jahre nach, dass es bei der Befruchtung einer Ziegeneizelle mit dem Spermium eines Schafbockes eine so genannte «Schiege» entstehen kann - ein Mischwesen aus Schaf und Ziege. Normalerweise, so die Definition der Biologie, können sich nur Tiere einer Art, aber nicht Tiere verschiedener Arten fortpflanzen.

Welche Mischwesen in der Natur entstanden sind, sehen Sie in unserer Fotostrecke.

beu/news.de/dpa

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