Von news.de-Redakteurin Isabelle Wiedemeier - Uhr

Murmel-Weltmeister: Kuller kuller, roll roll

Ein bisschen kindisch klingt der Murmel-Schlachtruf allerdings. Doch Spötter können mal schön ruhig sein: Die Murmel-Spieler vom MC Erzgebirge sind nämlich soeben Weltmeister geworden. Das müssen ihnen andere Sportler erst mal nachmachen.

Mit einem ganz speziellen Drall kickt Chris Pampel die Murmeln von der Platte. (Foto) Suche
Mit einem ganz speziellen Drall kickt Chris Pampel die Murmeln von der Platte. Bild: privat

Die Zeichen stehen gut für die deutsche Elf, in Südafrika zumindest Dritte zu werden. «Wir haben den Pokal nach Deutschland geholt, damit unsere Kollegen motiviert sind», verkündet Chris Pampel. Ob die Fußballnationalmannschaft vom Erfolg des Murmel-Teams aus dem Erzgebirge je erfahren wird, ist fraglich, das gibt er zu. Doch immerhin, Michael Ballack sei ja aus Görlitz, das liegt schließlich auch in Sachsen.

2006 jedenfalls, als Klinsis Jungs das Spiel um den dritten Platz gewannen, hatten Pampel und seine Kumpels auch schon die Murmel-Weltmeisterschaft in Großbritannien geholt. Als gutes Omen interpretiert der 27-jährige Murmel-Kapitän ihren Sieg also auch in diesem Jahr. Und einen Weltmeistertitel bekommt man auch im Murmeln nicht geschenkt. Am Karfreitag standen den sechs großen Kindern aus Sachsen an der Steinplatte im kleinen englischen Ort Tinsley Green harte Nüsse des Murmel-Metiers gegenüber.

Das Team um die 14-jährige US-Meisterin zum Beispiel, deren Mutter schon 1970 die Murmelwelt hinter sich gelassen hatte. In den USA sei der Glaskugelsport sogar ein Highschool-Kurs, erwähnt Pampel. Doch als härteste Gegner vor dem Greyhound Pub in Tinsley Green stellten sich die Yorkshire Meds und die Handcross 49ers aus England heraus. Auch das wundert nicht, denn schließlich sei Murmeln in England Nationalsport, und in Tinsley Green werde schon seit 500 Jahren gemurmelt, hat Pampel gehört.

49 kleine Glaskugeln liegen mitten auf der runden, mit Sand bestreuten Platte, die aussieht wie ein Kugelstoßring. Zwei mal sechs nicht mehr ganz so kleine Jungs – und auch die ein oder andere Spielerin – drängeln sich drumherum, johlen, jaulen und holen abwechselnd ihren Tolley raus. Das ist die etwas größere Spielmurmel, mit der die 49 kleinen von der Platte gestoßen werden sollen, ohne dass der Tolley selbst herunter rollt.

Bei Chris Pampel ist es immer derselbe grüne aus der Glasbläserei in Lauscha, mit dem er 2004 den WM-Titel geholt hat. Ein besonders großer Tolley, ganz hart an der Grenze des erlaubten. Den spielt er nur zur WM, und zwar mit der amerikanischen Schusstechnik. Dabei versetzt er seiner Murmel einen Drall, um zu vermeiden, dass sie von der Platte kullert. Denn nur dann darf man weiterspielen, und das Team, das 25 Murmeln abgehen lässt, gewinnt. 25 zu 19 stand es am Ende im Finale gegen die Handcross 49ers Die Engländer spielen mit kleineren Trolleys und anderer Technik – aber dafür sehr präzise, wie Pampel neidlos anerkennt.

Warum sollte er sie auch beneiden, das «geile Gefühl, gewonnen zu haben», liegt schließlich ganz beim MC Erzgebirge. «Logisch lachen wir auch über uns selber», sagt Chris Pampel. Trotzdem gelingt es ihm, den Schlachtruf «Kuller kuller, roll roll» ganz ohne Prusten zum Besten zu geben. Der Ehrgeiz ist eben ziemlich groß – wo hat man schon die Chance, mit ein paar Nachmittagen Training Weltmeister zu werden.

Denn Murmeln ist wie Fahrradfahren – wenn man es erstmal drauf habe, verlerne man es nicht mehr, sagt der Erzgebirger Kapitän. Früher, da hing man allfreitäglich über der eigenen Murmelplatte im Hobbykeller, doch vor der WM musste sich das Team vom MC Erzgebirge Neukirchen nur dreimal treffen, um das Gefühl wieder zurückzuholen, wie Pampel es nennt.

Zurückgeholt haben sie dann auch erfolgreich den Wanderpokal, den sie 2008 und 2009 die Yorkshire Meds absahnen sehen mussten. Beim Jubel darüber blieben die Murmler allerdings unter sich. «Meine Freundin war einmal mit. Seitdem lässt sie mich alleine fahren.» Pampels Teamkollegen geht es nicht anders.

ped/reu/news.de