Von den news.de-Redakteurinnen I. Weißbach und K. Schmidl, Halle - Uhr

Horror-Unfall: Unter tausend Tonnen Stahl begraben

Sie haben das Grauen teils schwerverletzt überlebt. Zwölf Bauarbeiter sind in Halle an der Saale mit einem tonnenschweren Baugerüst in die Tiefe gerissen worden. News.de hat den Unglücksort besucht.

Die Unglücksursache ist völlig unklar. (Foto) Suche
Die Unglücksursache ist völlig unklar. Bild: dpa

«Bei uns haben die Tassen im Schrank geklappert», sagt Helmut Barth, der aus seinem Garten direkt auf die eingekrachte Brücke blickt. Sein Nachbar Horst Menzel schaut mit dem Fernglas auf sein Gartenstück direkt neben der Unfallstelle, der Zaun ist zerborsten. «Meine Cousine hat gesehen, wie die Stützpfeiler aus Stahl wie Zahnstocher umgeknickt sind», erzählt der Rentner. «Erst gab's eine riesige Staubwolke, dann ein lautes Rumsen.» Am Morgen ist hier in Halle an der Saale ein tausend Tonnen schweres Baugerüst eingestürzt und hat zwölf  Bauarbeiter unter sich begraben. Laut Jürgen Müller, Pressesprecher des Polizeireviers Saalekreis in Merseburg, wurde einer der Arbeiter schwer verletzt. Alle wurden in Krankenhäuser in Halle und Merseburg gebracht.

Am Unglücksort wird zurzeit eine mehr als 8600 Meter lange Talbrücke für die ICE-Trasse über die Saale-Elster-Aue errichtet. Zunächst war spekuliert worden, ob der auftauende Boden und das Hochwasser einen Kran, der auf der Brücke stand, aus dem Gleichgewicht gebracht habe. Das Gebiet ist wegen der Schneeschmelze überflutet. Doch Müller schließt das Hochwasser als Unglücksursache aus. «Die Brücke wird nämlich von der Brücke selbst aus nach vorne getrieben», erklärt er.

Die Baustelle befindet sich in einem Naturschutzgebiet. Baufahrzeuge haben keine Zufahrt, so dass die Konstruktion nur über die Brücke selbst möglich ist. «Das Gerüst, auf dem der Kran stand, hing an der Brücke», erklärt Müller. Warum beides plötzlich in die Tiefe krachte, sei bisher jedoch völlig unklar. Gutachter werden wohl lange damit beschäftigt sein, die Ursachen zu ergründen, glaubt Ulrike Diener von der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd. An dem Brückenbau beteiligt sind unter anderem die Hochtief AG, die Adam Hörig AG und die Gerdum und Breuer GmbH.

Der Einsatz der Rettungskräfte von Feuerwehr, Technisches Hilfswerk (THW), Rotes Kreuz, Deutsche Lebens-Rettungsgesellschaft (DLRG) und Polizei wurde wegen des Hochwassers behindert. Feuerwehrleute mussten am späten Vormittag mit Schlauchbooten und einem Luftkissenfahrzeug an den Unglücksort vordringen, um die Verletzten zu bergen.

Alle zwölf haben den Sturz ins eiskalte Wasser dank der schnellen Hilfe überlebt. Glück im Unglück. Denn Claudia Karminski von den Maltesern in Köln weiß: «Im eiskalten Wasser zu überleben, das kann nur ein paar Minuten gut gehen.» Der Körper reagiere auf die Kälte mit steigender Herzfrequenz, die Atmung werde schneller, bis der Mensch hyperventiliert und keine Kraft mehr habe. «Auch die Schwimmbewegungen sind so eingeschränkt, da schafft man höchstens vier Meter», sagt Karminski.

«Die meisten Verletzten sind hier auch noch selbst durchs Wasser zum Krankenwagen gewatet», hat Klaus Metschker beobachtet. Nur einer von ihnen habe gestützt werden müssen. Den Einsturz habe er zwar nicht gesehen, doch das sei Zufall. Denn um diese Zeit treffe er sich sonst mit seinen Nachbarn, um die Bauarbeiten zu beobachten. Am Tag vor dem Unglück hätten die Bauarbeiter begonnen, das Gerüst zu verschieben. «Das sah immer sehr sicher aus», meint der Rentner.

cvd/ivb/news.de/ddp/ap

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