Von von news.de-Redakteur Christian Mathea - Uhr

Schönheit: «Der Bodybuilder ist definitiv nicht das Ideal»

Das Schönheitsideal hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Während früher füllige Frauen gefragt waren, sind es heute schlanke. Der Forscher Martin Gründl erklärt diesen Wandel und verrät, welche Männertypen Frauen bevorzugen.

Bodybuilder wollen sich am meisten selbst gefallen. (Foto) Suche
Bodybuilder wollen sich am meisten selbst gefallen. Bild: ap

Gibt es den idealen Körper?

Martin Gründl: Das zu sagen, ist schwierig. Aber es gibt durchaus Kriterien, die erfüllt sein müssen, um einen Körper als attraktiv zu empfinden. Dabei kommt es aber darauf an, auf welche Kultur man das bezieht. Wenn wir in Deutschland bleiben oder in den westlichen Kulturen, dann ist das Schlankheitsideal das wichtigste Kriterium. Ein schlanker Körper gilt als attraktiv. In anderen Kulturen ist das durchaus anders, was nicht heißt, dass dort dick attraktiv ist. Aber auf jeden Fall ist das Ideal etwas fülliger als das in den westlichen Industrienationen.

Wo ist das der Fall?

Gründl: Ich beziehe das jetzt mal auf Frauenkörper, da ist es deutlicher. Grundsätzlich kann man sagen, dass in solchen Kulturen, in denen die Versorgung mit Lebensmitteln nicht so gesichert ist, ein anderes Ideal vorherrscht. Die größten Unterschiede zu dem westlichen Ideal findet man in den afrikanischen Ländern. Aber auch im pazifischen Raum wie in Südostasien gelten fülligere Körper als attraktiver.

Zurück nach Europa. Welchen Männerkörper finden europäische Frauen toll?

Gründl: Es gibt etliche Untersuchungen, die zeigen, dass sehr muskulöse Figuren nicht als ideal angesehen werden. Frauen stehen wohl eher auf den schlanken und sportlichen Typ, der nicht ganz so viele Muskeln hat. Der Bodybuilder ist definitiv nicht das Ideal von der Mehrzahl der Frauen. Aber interessant ist, dass sich Männer, wenn man sie fragt, von welchem Körper glaubst du denn, dass Frauen ihn am attraktivsten finden, sich oft verschätzen und glauben, dass Frauen Männerkörper bevorzugen, die sehr muskulös sind.

Woran kann das liegen, reden Männer vielleicht zu wenig mit Frauen?

Gründl: Wie jemand aussehen möchte, hängt nicht nur von den Vorlieben des anderen Geschlechts ab. Bei solchen Dingen spielen noch andere Motive eine Rolle, zum Beispiel, dass man sich selber attraktiv findet. Für Männer, die oft zum Bodybuilding gehen, ist es ein Wert an sich, muskulös und kräftig gebaut auszusehen. Weil das auch bestimmte Dinge ausstrahlt wie Durchsetzungsfähigkeit. Sie bekommen möglicherweise einen höheren Status, wenn sie muskulöser gebaut sind oder kommen in ihrer Clique besser an.

Gibt es diese Fehleinschätzung auch bei Frauen?

Gründl: Frauen verschätzen sich auch darin, was Männer attraktiv finden. Sie glauben zum Beispiel, dass Männer sie dünner haben wollen als das wirklich der Fall ist. Männer bevorzugen zwar schlanke Frauen, aber keine dürren Laufstegmodells. Die meisten wollen schon etwas mehr dran. Aber wie auch bei den Männern orientieren sich Frauen nicht nur am anderen Geschlecht. Eine Frau, die es schafft, sehr schlank zu sein, will nicht nur der Männerwelt gefallen, sondern vielleicht auch ein bisschen unter ihren Freundinnen damit angeben, wie sie es schafft, ihr Gewicht zu halten.

Wie wichtig ist Attraktivität und Schönheit im Alltag?

Gründl: Es ist unglaublich wichtig. Schöne Menschen haben es schon immer leichter gehabt und mehr Aufmerksamkeit, mehr Anerkennung und mehr Zuspruch bekommen.

Warum ist das so?

Gründl: Die Menschen sind der Meinung, was schön ist, ist auch gut. Es gibt eine Fülle von Studien, die belegen, dass man attraktiven Menschen positivere Eigenschaften zuschreibt.

Warum Attraktivität auch nachteilig sein kann

Kann Attraktivität auch ein Hemmnis sein?

Gründl: Vor allem erhöht Attraktivität Chancen und bringt Vorteile. Sogar vor Gericht ist es generell so, dass attraktive Menschen weniger hart bestraft werden. Es gibt aber wenige Ausnahmen wie beispielsweise bei Heiratsschwindlern. Die werden wiederum härter bestraft, wenn sie attraktiv sind. Weil man davon ausgeht, dass derjenige seine Attraktivität ausgespielt hat, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Es gibt auch Ausnahmen in der Berufswelt. Beispielsweise bei attraktiven Frauen in typischen Männerberufen. Untersuchungen zu Frauen, die in Führungspositionen arbeiten wollen, bestätigen, dass das typisch weibliche Stereotyp damit schlecht zu vereinbaren ist.

Und bei Schülern. Gerade junge Mädchen, die ständig angehimmelt werden, bekommen doch schnell den Eindruck, dass sie sich gar nicht mehr anstrengen müssen, um etwas zu erreichen. Das kann doch nicht gut sein.

Gründl: Man muss leider sagen, dass auch attraktive Schulkinder, egal ob Jungen oder Mädchen, von Lehrern bevorzugt werden. Um ein Beispiel zu nennen: Es gibt eine sehr gute Untersuchung zu Aufsätzen. Dabei wurde stets derselbe Aufsatz von Testpersonen korrigiert, nur das Foto des Schülers wurde ausgetauscht. War das darauf abgebildete Kind attraktiv, wurde der Aufsatz besser bewertet als wenn das Kind auf dem Bild unattraktiv war.

Und dieser Zuspruch motiviert Schüler?

Gründl: Genau, man spricht dann von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung oder vom Pygmalioneffekt. Wenn man stets gelobt wird und positives Feedback bekommt, dann steigert das natürlich auch die Motivation und verändert das Verhalten entsprechend. Bei unattraktiven Kindern ist es leider genau umgekehrt.

Eine abschließende Frage zum westlichen Attraktivitätsideal. Hat sich das in der Geschichte gewandelt?

Gründl: Das westliche Schlankheitsideal ist eigentlich erst im 20. Jahrhundert so richtig aufgekommen. Davor galten Frauenkörper attraktiv, die ein bisschen fülliger waren und eine kleine Oberweite hatten. Wenn man heute ins Museum geht und sich die älteren Bilder anschaut, auf denen Frauen idealisiert dargestellt worden sind, erkennt man das.

Warum hat sich das geändert?

Gründl: Das mit dem Körpergewicht ist die gleiche Erklärung wie bei den ärmeren Kulturen. Die Erklärung zur Oberweite ist spekulativ. Früher war es offensichtlich so, dass die weibliche Brust nicht so sexuell aufgeladen war. Daran wurden die Kinder gesäugt. Eine große Brust wurde eher assoziiert mit Stillen. Durch die vielen Kinder, die eine Frau im Laufe ihres Lebens geboren hat, erschlaffte die Brust mit zunehmenden Alter. Eine kleine Brust galt deshalb als Jugendmerkmal. Im Mittelalter hat man auch von «Äpfelchen» gesprochen, also ein apfelförmiges Ideal. Frauen, die sich das leisten konnten, hatten früher auch eine Stillamme. Sie haben die Kinder abgegeben und nicht selber gestillt.

Und heute?

Gründl: Heute ist das anders, und die Brust ist ein Merkmal für Weiblichkeit. Was in gewisser Weise auch notwendig ist, wenn nämlich der Körper sehr, sehr schlank sein soll ohne typisch weibliche Fettablagerungen an den Hüften. Schlanke Frauen sehen ja schon eher so aus wie ein schlanker Mann. Der Unterschied ist nicht mehr allzu groß. Deshalb möglicherweise die große Oberweite, die man dann durch Operationen hinbekommt. Aber da sind wir wieder im Bereich der Spekulation.

Und wie sieht es mit der Hautfarbe aus?

Gründl: Die braune Haut, die bei uns in den westlichen Regionen automatisch zu Schlankheit und Jugendlichkeit dazu gehört, war früher kein Ideal. Eher im Gegenteil. Das galt als unattraktiv und vulgär. Früher war blasse Haut attraktiv, weil sie für den größten Teil der Bevölkerung schwer oder gar nicht zu erreichen war. Wenn jemand auf dem Feld gearbeitet hat, dann ist er eher braun geworden. Dagegen konnte sich jemand, der Geld hatte, im Haus aufhalten oder nur mit Sonnenschirmchen spazierengehen. Blässe war ein Statussymbol. Heutzutage hat sich das in westlichen Ländern umgedreht. Eine braune Haut wird damit assoziiert, dass man im Freien Sport treibt, dass man fit und gesund ist. Niemand bringt eine braune Haut mehr in Verbindung mit vulgär, dass jemand kein Geld hat und in Armut lebt.

Dr. Phil. Martin Gründl ist Wissenschaftler an der Universität Regensburg. Einer seiner Schwerpunkte ist die Attraktivitätsforschung.

car/news.de

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