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Experten-Interview: Blowjob - die freundliche Art des Sex

Es ist die zweitbeliebteste Sexpraktik weltweit: Der Wiener Sexualpsychologe Dr. Karl Javorszky erklärt news.de, wer wann, wo und warum bläst. Ein evolutions- und sozialpsychologischer Erklärungsversuch.

Die (Un-)Lust am Blasen sorgt in manchem Schlafzimmer für verhärtete Fronten. (Foto) Suche
Die (Un-)Lust am Blasen sorgt in manchem Schlafzimmer für verhärtete Fronten. Bild: iStockphoto

Oralsex ist laut Onlinestatistikportal Statista nach Vaginalverkehr die beliebteste Sexpraktik. Frauen werden dabei öfter aktiv als Männer. Warum?

Dr. Karl Javorszky: Das mag zum Teil recht einfache, praktische Gründe haben: Es ist viel unkomplizierter, sein bestes Stück auszupacken als Rock, Strumpfhose und Unterhöschen auszuziehen. Im klassischen Fall - also dem eigenen Bett, wo man ungestört ist - ist die Ungleichheit nicht so ausgeprägt. Zudem empfinden Frauen ihre Genitalien als weniger sauber, anständig und herzeigenswert als Männer. Scham, als Schutz des Genitalapparates, ist bei Frauen stärker ausgeprägt. Dies hat evolutionstechnische Gründe. Sie lässt da so schnell keinen ran, weil sie mehr zu verlieren hat.

Was macht guten Oralsex allgemein aus?

Javorszky: Wie bei jeder Art von Sex geht es um Vertrauen und rhythmisch-musikalisches Verständnis. Wenn beide zusammen auf Topfdeckeln und mit Klatschen einen guten Samba improvisieren könnten, wird es auch mit dem Orgasmus klappen.

Ist Oralverkehr besonders intim oder sogar eher mit weniger Emotionen behaftet als Vaginalverkehr?

Javorszky: Prostituierte bevorzugen das Blasen, weil sie es als weniger intim erleben. Man nimmt viel eher etwas in den Mund als zwischen die Beine. Blasen kann man auch zum Heavy PettingEine Form der gegenseitigen Masturbation, bei der beide Partner vollständig entkleidet sind. zählen, als einen halben Schritt vor der Hingabe. Praktisch ist, dass Frau vom Oralverkehr nicht schwanger werden kann. Das gibt Sicherheit und erklärt, warum manche auch dann blasen, wenn es nur für eine Nacht ist.

Manipuliert sie ihn gern mit einseitigen Liebesbekundungen?

Javorszky: Der Zweck jener Übung, welche man «Beziehung» nennt, ist es, sich vom Gegenüber manipulieren zu lassen und die Freiheit eingeräumt zu bekommen, den Gegenüber zu manipulieren. Schon EmpathieDie Fähigkeit mitzufühlen, also sich in die emotionale Lage des Gegenübers zu versetzen. grenzt an Manipulation. Manche kochen ein gutes Essen, manche gehen zum Fussballspiel mit, andere machen Komplimente. So ist auch der Blowjob ein Weg, etwas für die Beziehung zu tun - und sei es aus Solidarität. Er geht ja auch mal mit zum Schuhe kaufen.

Viele Frauen behaupten, nicht gern zu blasen, tun es gelegentlich aber trotzdem. Was erhoffen sich diese Frauen dann vom Blowjob?

Javorszky: Es ist wichtig, ein breites Repertoire sexueller Spielarten zu haben. Rein aus der Selbstachtung, ihn gut im Griff zu haben, sich seines Vertrauens zu versichern, aus wehmütigen Erinnerungen heraus. Es gibt zahllose Anlässe, mal freundlich zu sein. Man ist ja entgegenkommend, kooperativ und liebenswert, wenn man den «Geschäftspartner» behalten möchte.

Inwiefern spielt Rivalität eine Rolle? Will Frau sich von anderen abheben?

Javorszky: Sicher. Laut Statistik ist in jeder dritten Ehe ein Partner untreu. Jedes zehnte Kind stammt nicht vom angeblichen Vater. Man sollte die Marktmechanismen, die von unserem instinktiven Nervensystem wahrgenommen und zur Grundlage der Entscheidungen herangezogen werden, nicht unterschätzen. Sowohl Mann als auch Frau stehen unter einem permanenten Marktdruck, besonders jene, die – oder deren Partner – einen akzeptablen Marktwert haben. Zumindest im Instinktbereich sind unsere Einstellungen noch evolutionär stark beeinflusst. Bei frei lebenden Affen beobachtet man die eindeutige Regel: Sex gegen Futter, Futter gegen Sex, Sex als Konfliktdeeskalation.

Gilt der Blowjob immer noch als Notlösung während der Menstruation?

Javorszky: Klar. Eine emanzipierte Frau ist nicht so selbstsüchtig, ihren Geliebten fast eine Woche der Gefahr eines Samenstaus auszusetzen.

Können die Tipps, wie sie Frauenzeitschriften geben - also Zimtkaugummi kauen oder Eiswürfel lutschen - damit er mehr stimuliert wird, tatsächlich etwas bringen?

Javorszky: Nein. Man kann Lust nicht so erzwingen, wie es irgendwo in einem bunten Magazin zu lesen steht. Frau bläst, weil sie es will und wie sie es will oder eben nicht. Es geht nicht um Gehorsamkeit, Eigenwillen oder Trotz, sondern um sinnliche Lust. Man sollte keine Spielchen spielen, indem man so tut, als ob einem etwas gefiele und sich in Wirklichkeit zu etwas zwingen. Das geht nicht lange gut. Wenn man den Zweck der Übung nicht verstanden hat, sollte man es einfach lassen. Oder sich klar werden, ob nicht das Spielchenspielen an sich das Erotische an der Beziehung ist.

Was macht den Reiz des Schluckens aus? Wieso mögen es manche Frauen nicht und ist das wirklich ein Affront für ihn?

Javorszky: Wenn er sich darüber beschwert, was sie tut oder nicht, ist er auf dem Holzweg. Sein Lebenserfolg hängt doch mehr davon ab, was er tut oder nicht tut. Man soll Sex, wenn möglich, aus Bewertungszusammenhängen von Gehorsam und Marktwert heraushalten. Schmeichelt es ihrer Fantasie, wie verrucht sie ist oder wie genau sie ihre Grenzen wahrt, ist sie mit ihrer Haltung zufrieden. Etwas gut gemacht zu haben, verschafft einer Frau auch Stolz. Ob sie das Ausspucken für damenhafter hält als das Schlucken? Sie sollte es ganz einfach tun, wenn sie Lust darauf hat und lassen, wenn nicht.

brc/ham/kat/reu/news.de

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