Wirtschaft

Überwachung: Verkäufer im Visier

Videoüberwachung wird immer mehr ausgeweitet Bild: picture alliance/Julian Stratenschulte/dpa

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Der Job als Kassierer im Supermarkt ist ein äußerst vertrauenswürdiger Posten. An ihm müssen täglich hunderte Kunden vorbei – darunter auch Ladendiebe. Ob der Mitarbeiter bei der Kontrolle auch die nötige Sorgfalt an den Tag legt, das prüfen die Filialleiter gern mit getarnten Testkäufern.

Frank Starnisch* aus Dresden testete eher unfreiwillig die Sorgfaltspflicht von Kassierern. Eigentlich hatte sich der 19-Jährige nur für eine Ausbildung bei einer großen Discounterkette beworben. Doch der Filialleiter, der ihm den Alltag des Unternehmens näherbringen sollte, witterte seine Chance, eine unliebsame Kassiererin einmal richtig unter die Lupe zu nehmen. Dich kenne sie ja noch nicht, sagte der Manager vergnügt zu Starnisch.

Die Tricks der Testkäufer

Und so habe der Filialleiter ihm alle möglichen Tricks verraten und für den Einsatz instruiert, so der 19-Jährige. «Die teure Cola steckst du in Kisten für Billigcola, zwischen die Flaschen noch ein paar Kaugummis und Rasierklingen klemmen», habe der Filialleiter verlangt. Ein wenig Bammel habe er schon gehabt, erzählt der angehende Auszubildende. Doch der Filialleiter habe ihn beruhigt und gesagt, dass er gleich um die Ecke stehe, falls ihn die Kassiererin erwische.

Und so stapfte Frank Starnisch los. Ständig mit der Angst im Hinterkopf, erwischt zu werden. Er versteckte die Rasierklingen und Kaugummis, tauschte einige Flaschen der billigen Cola in der Kiste gegen teure aus und legte noch eine Tafel Schokolade unter eine große Kiste.

An der Kasse angekommen stellte der Testkäufer eine Flasche Billigcola auf das Band, eine zweite blieb sichtbar in der Kiste, die Markencola war dahinter versteckt. Die Kassiererin scannte die Flasche und multiplizierte daraufhin den Preis mal sechs. Ob es sich um sechs Flaschen der gleichen Marke handelt, das prüfte sie nicht nach. Was sie erkannte, war lediglich die Schokolade unter der Kiste. Ein kurzes: «Oh, das ist wohl da drunter gerutscht» habe aber ausgereicht, um sie zu beruhigen, sagt Starnisch. Die Kaugummis und Rasierklingen blieben unentdeckt.

Was nach dem Kassieren folgte: Der Filialleiter kam hinzu, klärte alles auf. Die Kassiererin beschimpfte den jungen Kurzzeit-Testkäufer für sein unmoralisches Verhalten und wurde von ihrem Chef zu einem Gespräch geordert. Frank Starnisch blieb allein mit seinem Wagen stehen.

Testkäufer sind heute in deutschen Supermärkten keine Seltenheit. Gewerkschaften beklagen, wie die Mitarbeiter damit schikaniert werden. Obwohl Arbeitsrechtler dadurch die Menschenwürde angetastet sehen, stehen den Test grundsätzlich nur niedrige rechtliche Hürden im Weg.

Wie Mitarbeiter mit Videokameras überwacht werden

Ein anderer Fall in einem kleinen Fahrradgeschäft in Cottbus. Der Geschäftsführer verdächtigt seinen Verkäufer des Betrugs. Ständig verschwinden Waren, die nirgends auf der Kassenrolle auftauchen. Der Chef beauftragt einen Detektiv damit, der Sache einmal nachzugehen. Dieser versteckt eine Videokamera im Geschäft, die den Verkäufer aufnimmt. In seinem Büro wertet der Detektiv anschließend die Aufnahmen aus.

Auf dem Film ist ein Kunde zu erkennen. Mit einer Hand ein Funktelefon ans Ohr haltend legt er mit der anderen eine Packung auf den Tisch, in der sich offenbar Fahrradlampen befinden. «Normalerweise müsste jetzt ein Kinderfahrrad gekauft werden, denn der vorherige Kunde hatte Fahrradschläuche gekauft» , sagt der Detektiv, während er die Bilder mit den Angaben auf der Kassenrolle vergleicht.

Im Film nimmt der Kunde sein Päckchen, dreht sich um und verschwindet aus dem Bildschirmausschnitt. «Der Verkäufer gibt ihm überhaupt keinen Kassenzettel, sehen Sie?» , sagt der Detektiv. «Und er bekommt nichts davon mit, weil er telefoniert und abgelenkt ist.» Der Film läuft weiter: Als nur noch die Verkäuferin allein im Bild zu sehen ist, öffnet sie die Kasse und entwendet Geld. «Die Kassiererin hat den Betrag nicht in die Kasse eingegeben und behält das Geld.»

Er setze die Videotechnik nur im sicheren Verdachtsfall ein, sagt der Detektiv auf die Frage, ob er mit seiner Arbeit nicht Grenzen überschreite: «Wir haben vorher Testkäufe durchgeführt, die gezeigt haben, dass die Verkäuferin manche Artikel nicht eingebont haben», sagt er und betont: «Wenn Mitarbeiter betrügen, kann das schlimmere Folgen haben als normaler Ladendiebstahl. Bei einem kleineren Betrieb kann das sogar zum wirtschaftlichen Ruin führen.»

* Name geändert, Person ist der Redaktion bekannt ruk/nbr/news.de