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Fußball-Merchandising: Wer hat den Fanschal erfunden?

Mein Klub, mein Schal, mein Stirnband: kultiger St. Pauli-Fan. Bild: dpa

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Großer Bahnhof für die Helden von Bern am Tag nach dem WM-Triumph 1954. Auf die Idee, Deutschland-Fahnen, -Schals, -Trikots oder -Mützen mitzubringen, kam neun Jahre nach Kriegsende keiner. Bild: dpa

Fußball-Fanartikel boomen. 166,5 Millionen Euro haben die 18 Bundesligisten in der Saison 2011/12 mit Merchandising-Produkten umgesetzt - 16 Millionen mehr als in der Spielzeit davor. Das entspricht einem absoluten Allzeithoch. Längst gibt es neben Schals, Mützen und Trikots kuriose Produkte wie eine Infrarot-Bildheizung mit Hannover-96-Emblem, einen Hochdruckreiniger vom VfB Stuttgart oder die Werder-Wärmflasche.

Im Schnitt habe ein Bundesligist heute 500 Artikel im Sortiment, sagt Dr. Peter Rohlmann, der seit 15 Jahren das Fanartikel-Barometer erstellt. Bei den Topklubs Bayern, Dortmund und Schalke sind es beinahe 1000. Das Geschäft mit den Fans scheint unaufhaltsam zu wachsen. Neben den TV-Einnahmen pulsiert für die Fußballklubs keine Einnahmequelle so dynamisch wie der Verkauf der Vereinsdevotionalien. «Bei Merchandising - das haben inzwischen fast alle Klubs erkannt - geht es für die Vereine nicht nur um Verkauf, sondern längst auch um Profil- und Imagebildung», sagt Rohlmann. So habe der FC St. Pauli beispielsweise Kondome im Sortiment, der FC Bayern hingegen nicht.

Doch wer hat eigentlich das Business mit den Anhängern erfunden?

Wie fast alles auf diesem Planeten ist auch das Merchandising auf Micky Mouse zurückzuführen. Als erstes Marketingprodukt - also ein Artikel, um die Marke zu stützen und bekannter zu machen - gilt eine Micky-Mouse-Schreibtafel. Die wurde 1929 in den USA vertrieben. In den 1960er Jahren tauchten kommerzielle Lizenzartikel erstmals auch im US-Sport auf.

Fans von Nottingham Forest 1959: Man beachte die Transparente oben und den Fanschal (untere Reihe, Mitte). Bild: imago

In Deutschland - das zeigt ein Blick auf alte Fotos und Filmaufnahmen - waren die Zuschauerränge in den Fußballstadien bis Ende der 1960er Jahre dominiert von Männern mit dunklen Hüten und Trenchcoats. Kein Vergleich zu den komplett in den Vereinsfarben gehaltenen Fankurven heute.

In Europa tauchten Ende der 1950er Jahre in England die ersten selbstgestrickten Fanschals und Transparente in den englischen Stadion auf (siehe Foto). Mit der Gründung der Bundesliga 1963 wollten auch immer mehr Anhänger hierzulande ihre Leidenschaft für ihren Verein zeigen. Laut Rohlmann seien in Bremen und auf Schalke die ersten von Omas und Müttern selbstgestrickten Schals in den Vereinsfarben aufgetaucht.

Uli Hoeneß erkundete das Merchandising-Geschäft bei Manchester

Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahren wurden Fanartikel dann auf Nachfrage und in kleinen Stückzahlen immerhin schon von den Vereinen selbst produziert. Die damals erfolgreichen Klubs 1860 München oder 1. FC Köln waren aufgrund ihrer zahlreichen Fans diesbezüglich am aktivsten.

Der Startschuss des Merchandisings im Fußball fiel aber erst Mitte der 1980er Jahre. «Da war Manchester United Vorreiter und Pionier», sagt Merchandising-Experte Peter Rohlmann. Mit dem Start der Premier League 1992 hatten alle englischen Elitevereine ein Merchandising-Konzept. In Deutschland war - wie könnte es anders sein - der FC Bayern der erste Verein, der Merchandising als Geschäftsfeld entdeckte. Während einer mehrwöchigen Visite bei ManUtd holte sich der damalige Bayern-Manager Anregungen und Konzepte für professionelles Merchandising. «Diese Entwicklung in Deutschland hat Uli Hoeneß angestoßen und damit die Kopiervorlage für viele Klubs geliefert», sagt Rohlmann.

Im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrtausends wurde im Zuge der Professionalisierung des Fußballs alles an Fanartikeln auf den Markt gebracht, was sich irgendwie zu Geld machen ließ. «Lizenzen wurden wild vergeben», sagt Rohlmann. Das führte schließlich Ende der 1990er Jahre zum ersten und bislang einzigen Zusammenbruch des Fanartikelgeschäfts. «Es gab keine Systematik, keinen Fahrplan, wie sich die vielen verschiedenen Produkte auf die Marke auswirken», erklärt Rohlmann. Seit der Neustrukturierung des Fanartikelgeschäfts 2001/02 steigt das Marktvolumen stetig und genießt bei den Vereinen einen immer größeren Stellenwert. Rohlmann spricht vom «Goldesel Merchandising». Wenn Micky Mouse das wüsste...

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