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Gruppensex: «Mal einfach nur lustorientiert handeln!»

Ganze 58 Prozent aller Männer träumen laut einer GEWIS-Umfrage vom Sex zu dritt oder mehr. Bild: iStockphoto

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Warum waren Dreier und Gruppensex in der Antike akzeptiert und haben heute wieder (oder nach der sexuellen Revolution immer noch) etwas Anrüchiges an sich?

Karl Javorszky: Hat es für viele doch auch nicht. Diese Einschätzung hängt schließlich ganz von unserer persönlichen kulturellen Umgebung ab. Mit dem Vorhandensein von Angeboten hat das aber nichts zu tun. Es gibt ganze Stadtführer für Erwachsene, Adressverzeichnisse, Chatgroups und Netzwerke, wo Sie solcherlei Freizeitgestaltung planen können.

Woher kommt das Interesse an Gruppensex tiefenpsychologisch?

Javorszky: In Europa Anfang des 21. Jahrhunderts geht es ähnlich locker zu wie zu anderen Zeiten des Überflusses: Man ist nicht gezwungen, extrem vorsichtig zu sein. Es wird auch übermorgen was zu fressen geben, also ist die Moral der Sparsamkeit und Enthaltsamkeit eine blödsinnig verfehlte Politik. Richtig ist es, in die Breite zu gehen und weit zu streuen. Wenn es wieder knapp wird, werden wir uns wieder zusammennehmen. Derzeit erleben wir Zeiten spätrömischer Dekadenz. Eben eine Gesellschaft, in der seit Generationen kein wirklicher Anlass zu Sparsamkeit gegeben ist.

Weshalb aber gerade die Phantasie vom flotten Dreier, nicht zu viert oder fünft?

Javorszky: Erstens kümmern sich in vielen Männerträumen dann zwei Frauen nur um ihn. Zweitens kann eine bisexuelle Seite ausgelebt werden. Drittens hat das mit der Konkurrenzsituation zu tun. Bei sexfaulen Primaten helfen sich Zoodirektoren auch mit dem Einschluss eines Rivalen beziehungsweise einer Rivalin ins Gehege. Vermutlich regen nämlich in solchen Situation Spuren biochemischer Substanzen hormonelle Prozesse an. Die Anwesenheit eines Konkurrenten eröffnet einen ganz neuen Zugang zur Sexualität. Einer Sexualität unter Wettbewerbsdruck, der motivierend wirkt.

Liegt uns demnach ausschweifende Sexualität in den Genen?

Javorszky: Mutter Natur moralisiert nun mal nicht, sondern nutzt die jeweils zweckmäßigste Strategie zur Reproduktion. Man unterscheidet in der Fachliteratur zwei idealisierte Extrema: die sogenannten Pinguin- und die Bonobo-Typen der sexuellen Treue. Die Pinguine leben uns unser Ideal einer christlichen Monogamie vor. Sie halten unbedingt zusammen und wechseln sich bei Futtersuche und dem Brüten ab. Sie schauen nicht rechts nicht links. Sie müssen auch so konzentriert sein, denn in ihrer Lebensumwelt verzeiht die Natur keine Abweichungen vom Maximaleinsatz. Kaum ist die Umgebung etwas gewährender, schon werden die Sitten lockerer. Das zeigen die [tt=Eine Affenart, die dem Menschen sehr nahe verwandt ist.]Bonobos. Diese schieben bei allen nur möglichen Gelegenheiten eine Nummer, jeder mit jedem. Es scheint also von der Reichhaltigkeit des Nahrungsangebotes abzuhängen, welche Strategie der Partnerwahl die zweckmäßigste ist. Also ja: Wenn wir können, wollen wir.

Für wen ist ein Dreier gar nicht geeignet?

Javorszky: Schauen Sie, dass Sie sich von verklemmten Menschen fernhalten. Insbesondere halten Sie Abstand zu Leuten, die sich ständig überlegen, ob etwas anderen Leuten gefällt oder nicht und sich einen Dreck darum kümmern, ob es ihnen dabei selbst noch zusagt. Solche Leute sind naturgemäß ständig frustriert. Eben weil sie nicht das machen, was ihnen Spaß macht, sondern das, wovon sie glauben, dass es anderen Leuten passt.

Was sind die Grundvoraussetzungen für eine eifersuchtsfreie Nacht zu dritt?

Javorszky: Probieren Sie es erst einmal aus und werden Sie sich darüber im Klaren, wessen Eifersucht Sie stört: ihre eigene oder jene des Partners. Jedenfalls ist es eine Grundvoraussetzung, dass man sich selbst als eine vom Partner unterschiedliche Person wahrnimmt.

Welche Grundregeln sind zu beachten?

Javorszky: Nett, freundlich und lustorientiert handeln. Mehr nicht.

«Und aus Fantasien wurde Realität, aus Realität wurden Vorwürfe, aus Vorwürfen wurden Tränen - und aus Tränen eine verletzte Partnerseele - und man trennte sich.» (Blogeintrag): Kann man sich vorher der Konsequenzen von offenen Beziehungen und Gruppensexexperimenten überhaupt bewusst sein?

Javorszky: Nein, kann man nicht. Aber am besten sind Sie einfach loyal zu sich selbst und schauen, was passiert. Checken Sie die Ödipus-Sage: Aus Bemühen, ein Unheil zu vermeiden, hat man schon viel größeres Unheil angerichtet. Leben Sie mutig und sammeln Sie Erfahrungen. Weder Treue noch Untreue sind Garantie für ein glückliches und langes Leben.

brc/rzf/som/news.de