Von news.de-Redakteurin Juliane Ziegengeist - Uhr

«Der Adidas-Check»: Fairplay geht anders

Ob Schuhe, Shirts oder Duschgel: Wer will, kann sich von Kopf bis Fuß auf Adidas einstellen. Das ist teuer, aber stylisch und vor allem qualitativ zuverlässig, so die landläufige Meinung. Der Adidas-Check rüttelt am Zauber der Marke, der spätestens dort aufhört, wo Adidas Fußballtrikots für Hungerlöhne produzieren lässt.

Es sind nur drei weiße Streifen, doch die spülen jährlich 13 Milliarden Euro in die Adidas-Kassen. Damit liegt der deutsche Sportartikelhersteller deutlich vor Konkurrent Puma (drei Milliarden Euro) und jagt Marktführer Nike (17 Milliarden Euro). Der Zauber der Marke ist auch nach über 60 Jahren Firmengeschichte kein bisschen verblasst - im Gegenteil. Adidas steht für Erfolg, Sportlichkeit, Coolness. Selbst der Opa trägt seine Adiletten mit Stolz.

Die ARD ging dem Markenphänomen in seiner Check-Reihe auf den Grund und hätte dafür kaum einen besseren Namen als Adidas aussuchen können. Wie verblüffend dessen Markenwirkung ist, demonstriert die Reportage an einem einfachen Beispiel: Eine Gruppe Laufsportler wird mit günstigen Shirts ausgestattet. Die Hälfte der Testpersonen erhält Shirts mit aufgenähten Streifen im Adidas-Look, die andere Hälfte streifenlose Shirts.

Obwohl es sich um die exakt gleichen Shirts handelt, bewertet die vermeintliche Adidas-Gruppe sie durchweg positiver. Die Läufer ohne Streifen klagen hingegen über ein unangenehmes Tragegefühl. Werden die Shirts getauscht, wiederholt sich das Szenario. Der Placebo-Effekt, die Streifenshirts seien atmungsaktiver, weniger kratzig und synthetisch, ist überdeutlich. Die Testpersonen glaubten sogar, in Adidas schneller laufen zu können als in No-Name-Shirts.

Höher, schneller, weiter

Doch ist dieser Qualitätsvorsprung, den die Marke in der Kundenmeinung genießt, auch berechtigt? Wie gut können billige Plagiate vom türkischen Basar und preiswertere Vergleichsprodukte mithalten? Hier schmilzt Adidas' Vorsprung. Fälschungen und Originale lassen sich beileibe nicht immer so offensichtlich unterscheiden, wie Adidas-Pressesprecher Jan Runau annimmt. Sowohl die Hälfte der befragten Passanten als auch eine der beiden Testfamilien vertut sich. Selbst im Testlabor schneiden Plagiate und günstigere No-Name-Produkte erstaunlich gut ab, hier färbt beim Schweißtest ausgerechnet das Original.

Es geht also auch gut und günstig, bei Adidas schlägt eben der Name auf den Preis. Doch während die Freizeitkleidung im Check als überteuert gilt, punktet der Konzern mit seiner Expertise bei Schuhen und Bällen. Diese werden in speziellen Laboren so sehr perfektioniert, dass vom EM-Kader bis zum ganz kleinen Fußballnachwuchs alle auf Adidas setzen. An der Torwand siegt der Tango 12 - offizieller Ball der EM 2012 - klar vor Nike. Und auch im Laufschuhtest sind Passform und Stabilität beim teuren Adidas-Schuh am besten.

Hier bestätigt sich sogar der Eindruck, darin schneller laufen zu können. Denn im Vergleich zum Billigschuh für 29 Euro absolvieren die Testpersonen im Adidas-Schuh für 129 Euro weniger Schritte - nicht etwa bewusst, sondern ganz automatisch. Das deutet auf energiesparendes Laufen dank besserer Dämpfung hin, der Adidas-Schuh läuft also mit.

Fußballtrikots zu Hungerlöhnen

Er hat schon so manches Team beim Siegen begleitet und mit der deutschen Fußballnationalmannschaft gleich zwei Mal triumphiert: 1974 und 1990. Auch 2012 ist Adidas ein wichtiger Sponsor der EM und stattet sechs Mannschaften aus. Die Marke legt jedoch Wert darauf, den Sport zu sponsern und nichts anderes. Eine politische Wirkung könne man nicht leisten, betont Pressesprecher Runau. Das trifft leider auch auf die Produktion von Adidas zu, wie der ARD-Check zeigt.

So findet die Fertigung in China unter Bedingungen statt, die Adidas für vorzeigbar hält, Menschenrechtler jedoch als unzumutbar bezeichnen dürften. Im Akkord werden Fußbälle zusammengeklebt, die Arbeiter leben unweit der Fabriken in nur spärlich eingerichteten Zimmern zu viert oder fünft, weit weg von ihren Familien. Der Lohn sei mittelmäßig, komme aber zumindest pünktlich, erzählt ein Arbeiter. Keine Selbstverständlichkeit, betont der Asienverantwortliche von Adidas.

Wie viel genau die Arbeiter verdienen, gibt er nicht preis. Fredericke Winkler von der Agentur für Mode und Nachhaltigkeit schätzt: Näher verdienen nicht mehr als 10 bis 20 Cent pro Shirt. Ein hochpreisiges Kleidungsstück garantiere folglich nicht, dass man automatisch sozial verträgliche Bedingungen in der Produktion mitkauft. Diese gibt es auch in El Salvador nicht. Widerworte oder gar gewerkschaftliche Organisationen sind dort unerwünscht. Wer über seine Arbeit auspackt, lande auf schwarzen Listen und bekomme keinen Job mehr, berichtet ein Menschenrechtsaktivist.

Fairness? Fehlanzeige!

88 Dollar für zwei Wochen Arbeit à 60 Stunden - so wenig verdienen Arbeiter von Adidas-Zulieferern in El Salvador. Das sind 135 Euro im Monat und damit bei weitem nicht genug, um menschenwürdig zu leben. Nicht nur dort, auch in Bangladesch, Sri Lanka, auf den Philippinen und in China ist das der Fall, wie unabhängige Studien belegen. Vorzuwerfen habe man sich bei Adidas dennoch nichts, erklärt Runau. «Wir sind nicht diejenigen, die den Lohn festlegen. Der wird vor Ort festgelegt.»

Richtschnur, auch für die Zulieferbetriebe der Marke, sei der gesetzliche Mindestlohn. Nur schützt der nicht vor Armut. Bei den Endpreisen für Adidas-Produkte und Rekordgewinnen des Unternehmens ist das unverständlich, weshalb die Fairness im Test auch nur mit unzureichend bewertet wird. Besonders fatal: Gerade in Vorbereitung auf Großereignisse wie die EM sind Überstunden in ausländischen Großnähereien an der Tagesordnung. Nur schade, dass die von den immensen Sponsoringsummen, die Adidas für solch große Turniere springen lässt, nichts sehen. Fairplay herrscht am Ende doch nur auf dem Platz.

kls/news.de

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