Von news.de-Mitarbeiterin Annika Einsle - Uhr

Qualitätssiegel?: Der Schummel um «Made in Germany»

Porsche, Trigema, Miele und Steiff: Sie alle werben mit bester Qualität «Made in Germany». Aber wie viel Deutschland steckt wirklich drin? Und wer darf das Siegel überhaupt benutzen? News.de hat nachgefragt.

Nicht immer das drin, was drauf steht:Da das Made in Germany-Siegel nicht offiziell geschützt ist, kann es jeder für sich beanspruchen. (Foto) Suche
Nicht immer das drin, was drauf steht: Da das «Made in Germany»-Siegel nicht offiziell geschützt ist, kann es jeder für sich beanspruchen. Bild: dpa

«Hallo Fans», grüßt der freundliche Trigema-Schimpanse aus dem Werbespot, um dem Verbraucher gleich darauf zu erklären, dass der T-Shirt-Hersteller nur in Deutschland produziert und das auch in Zukunft so bleiben wird. «100 Prozent Made in Germany», verspricht Trigema. Das können viele andere deutsche Unternehmen heute nicht mehr von sich behaupten.

Denn die Globalisierung hat längst um sich gegriffen. Porsches Geländewagen Cayenne zum Beispiel trägt zwar die Fahrgestellnummer L, die für den Produktionsort Leipzig steht. Doch das Blech wird im slowakischen Bratislava gebogen und lackiert, die Sitze kommen aus Amerika und das Getriebe läuft in Japan vom Band. Dennoch: Das Label «Made in Germany» bleibt Porsche erhalten.

Rechtsanwalt Max-Lion Keller von der Münchner IT-Recht Kanzlei klärt die Rechtslage: «Entscheidend ist, was der potenzielle Käufer sich unter Qualität ‹Made in Germany› vorstellt, das heißt, bei welchen Teilen des Produkts er Wert darauf legt, dass sie tatsächlich aus Deutschland stammen.» Bei einem Auto «Made in Germany» hätte der Kunde die Vorstellung, dass etwa «Planung und Konstruktion in Deutschland stattgefunden haben, essenzielle Teile wie Antriebsstrang und Fahrwerk aus heimischer Produktion stammen und auch wichtige Arbeitsschritte wie die Endmontage und Qualitätskontrolle mit deutscher Gründlichkeit vorgenommen werden», sagt Keller im Gespräch mit news.de.

Qualität statt Quantität

Sei dies gegeben, dann dürfe das Auto auch als «Made in Germany» vermarktet werden. Eine feste Regelung, ab wann ein Produkt mit dem Siegel versehen werden kann, gibt es hierzulande nicht. Eine offizielle Vergabe demnach auch nicht. Das kann jedes Unternehmen für sich entscheiden - was aber nicht heißt, dass sich Waren einfach als gute deutsche Qualität ausgeben lassen können, obwohl sie in Asien oder anderswo produziert wurden. Das verbietet das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, die Hauptnorm des deutschen Wettbewerbsrechts.

Und dann gebe es laut Keller natürlich immer auch noch die Konkurrenz, die ein genaues Auge auf die Produkte der anderen werfe und im Notfall einschreite. Komme es zu einem solchen Streitfall um das Label, dann müsse individuell entschieden werden. «Im Einzelfall ist aber eher die Frage zu stellen, welche Teile in Deutschland gefertigt wurden, und nicht wie viele», so der Experte.

Während heute viele Verbraucher bewusst nach Produkten aus Deutschland schauen, hatte das Qualitätssiegel anfangs eine ganz andere Aufgabe: Es sollte nämlich die minderwertige Stahlware der Deutschen kennzeichnen, um sie von den hochwertigen Produkten der Briten zu unterscheiden. Die Engländer waren es, die ein solches Siegel forderten.

Verlässlichkeit, Termintreue und Langlebigkeit

Der Schuss ging nach hinten los: Das «Made in Germany»-Siegel machte überhaupt erst auf die deutschen Importe aufmerksam. Und die britische Bevölkerung griff fleißig zu, als sie merkte, dass nicht nur Messer, Feilen und Scheren aus Deutschland kamen, sondern auch Puppen, Krüge und Bleistifte. Und da diese zunehmend auch besser verarbeitet waren als die eigenen Sachen, kauften die Briten immer häufiger die günstigeren deutschen Alternativen.

Und so ist es bis heute geblieben: «Made in Germany» bedeutet Qualität, Verlässlichkeit, Termintreue, ausgereifte Produktionsverfahren und meist auch eine Langlebigkeit der Produkte. Nicht zuletzt deshalb gehört Deutschland heute zu einer der größten Wirtschaftsnationen weltweit. Wer auf die andere Seite der Welt reist, wird von Deutschland hören, «wo die guten Autos herkommen». Oder in einer kleinen deutschen Gemeinde namens Hahndorf im Süden von Australien Werbeschilder sehen, auf denen die Schuhmarke Birkenstock mit Qualität «Made in Germany» wirbt.

Der berühmte Latschenhersteller gehört heute zu einem der wenigen Unternehmen, die ihre Produktion ausschließlich in Deutschland betreiben. Rechtsanwalt Keller erklärt dazu: «Je komplexer ein Produkt ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit - und oftmals auch betriebswirtschaftliche oder technische Notwendigkeit - dass aus dem Ausland zugelieferte Komponenten verbaut wurden.»

Einmal China und zurück

Somit ist es kaum verwunderlich, dass viele deutsche Unternehmen heute teilweise oder komplett im Ausland produzieren. Das Label «Made in Germany» dürfen sie dann aber auch nicht mehr bedingungslos tragen. So wie Miele. Der Gütersloher Hausgerätehersteller hat die Produktion seiner Wäschetrockner 2007 zur Hälfte in das tschechische Werk Unicov verlagert.

Ende 2010 kündigte er an, dass die Trockner ab 2013 komplett dort vom Band gehen sollen. Im Stammwerk Gütersloh werden dann nur noch Waschmaschinen gefertigt. Der Konzern ist deshalb längst dazu übergegangen, seine Geräte mit «Made by Miele» zu labeln - in der Hoffnung, der Kunde schaue nur auf die Marke und nicht auf die Produktionsstandorte.

Andere Unternehmen dagegen merken, dass es in Osteuropa oder Fernost nicht immer so funktioniert wie anfangs gedacht. So hat beispielsweise der traditionsreiche Stofftierhersteller Steiff seine teilweise nach China verlegte Produktion wieder zurück nach Deutschland geholt.

Damit ist der Teddyhersteller nicht allein: Eine Studie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) vom November 2009 zeigt, dass immer weniger Firmen ihre Produktionen ins Ausland verlagern. Auf jeden dritten Verlagerer kommt mittlerweile ein Rückkehrer. «Wir erleben eine Renaissance des Produktionsstandortes Deutschland», sagte VDI-Direktor Willi Fuchs bei der Vorstellung der Studie. Statt auf günstiges Personal in Niedriglohnländern zu setzen, entdeckten Unternehmen in der Wirtschaftskrise wieder stärker die Vorteile, die der Standort Deutschland biete, so Fuchs damals.

bjm/ivb/news.de

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