Von news.de-Redakteur Christian Mathea - Uhr

Statistik-Tricks: So wird mit Zahlen geschummelt

Zahlen lügen nicht, heißt es so schön. Diejenigen, die damit geschickt umgehen können, tun das manchmal schon. Und sie haben leichtes Spiel, weil die meisten Menschen Zahlen mit Wahrheit gleichsetzen. Wie man sich die Welt mit Statistik zurechtbiegen kann.

Die Arbeitslosenkurve: Gut, dass sie sinkt, nur fehlen einige Arbeitslose in der Statistik. (Foto) Suche
Die Arbeitslosenkurve: Gut, dass sie sinkt, nur fehlen einige Arbeitslose in der Statistik. Bild: dpa

Wenn Politiker oder Firmenchefs ordentlich argumentieren können, dann begeistert das bereits viele Zuhörer. Dafür gibt es ganz bestimmte Phrasen und Wortkonstruktionen.

Ein paar wenige Skeptiker wird das allerdings nicht überzeugen. Aber gegen die ist auch ein Kraut gewachsen: die Statistik. Ob Relationen, Trends oder Diagramme - wer Zahlen auftischt, hat die Wahrheit gepachtet.

Doch aufgepasst: Wenn die Zahlen in den meisten Fällen auch stimmen mögen, deren Interpretation muss es nicht. Nicht umsonst wird Winston Churchills Spruch soinflationär zitiert: «Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.»

Auch die kürzlich verstorbene Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Noelle-Neumann warnte vor einem zu großen Glauben an das Zahlenwerk: «Der Satz ‹Mit Statistik kann man alles beweisen› gilt nur für die Bequemen, die keine Lust haben, genau hinzusehen.»

Wir haben genau hingesehen. Im Folgenden finden Sie einige Beispiele, wie mit Statistiken getrickst wird.

«Leicht» manipulierte Stichproben

Die Stichprobe, jener Ausschnitt aus der sogenannten Grundgesamtheit, der Aussage über die wahren Verhältnisse in der Gesellschaft geben soll. Häufig wird die Stichprobe von den Instituten gar nicht erst mitgeliefert. Das Ergebnis ist, was zählt. Doch öfter ist das Ergebnis bereits durch die Stichprobe gefälscht. Klassiker sind Umfragen zum Thema Rauchverbot in Deutschland in Raucherkneipen oder Umfragen über Atomkraft unter Anhängern der Grünen. Von diesen Ergebnissen auf die Allgemeinheit zu schließen, ist Nonsens.

Es gibt schlauere Methoden der Stichprobenziehung: Ein spannendes Beispiel ist eine Studie der Zigarettenindustrie über nicht versteuerte Tabakwaren, über die Spiegel Online berichtet hat. Darin hieß es, dass die Deutschen 16 Milliarden steuerfreie Zigaretten pro Jahr rauchen, das wäre jeder fünfte Glimmstängel. Eine extrem hohe Zahl, fanden zwei Ökonomen der Hamburger Universität und schauten sich daraufhin die Stichprobe genauer an.

Die Marktforscher, die von der Zigarettenindustrie beauftragt wurden, hatten für die Stichprobe an verschiedenen Stellen in Deutschland Zigarettenschachteln gesammelt und geprüft, ob es sich um steuerfreie oder versteuerte Ware handelt. Das Ergebnis wurde dann auf die Allgemeinheit übertragen. Das Problem: Gesammelt wurde vorwiegend in Grenznähe zu Osteuropa, wo Zigaretten billiger sind, und an Autobahnen, die viele Menschen aus Polen nutzen. Und was sollte mit der Studie bezweckt werden? Die Autoren des Artikels vermuten, dass damit eine Steuererhöhung für Tabak verhindert werden sollte.

Arbeitslose, die offiziell keine sind

Umstritten ist auch Deutschlands wichtigster Indikator für den Erfolg der Regierungsarbeit: die monatlich in Nürnberg veröffentlichten Arbeitslosenzahlen. Klar, dass Politiker bei einem so bedeutenden Zahlenwerk eine möglichst ansprechende Zahl vorweisen wollen. Sie sollte möglichst gering sein. Gegenwärtig liegt sie etwas über der Drei-Millionen-Grenze.

Doch Kritiker meinen, dass dieser Wert viel höher liegen müsste. Denn die offiziellen Arbeitslosenzahlen beinhalten nicht alle Erwerbslosen. Arbeitslose, die krank sind, die gerade an einer Weiterbildung teilnehmen, die bei einem privaten Arbeitsvermittler gemeldet oder zu alt sind, werden nicht berücksichtigt. Auch Aufstocker, also Billigkräfte, die vom Staat trotz einer Anstellung noch Zuschüsse empfangen müssen, kommen nicht vor. Würden all diese Mehr- oder Weniger-Arbeitslosen mit in die Statistik eingerechnet, dürfte die Zahl um zwei Millionen Menschen höher liegen.

Eine Frage der Interpretation

Grandios waren auch die Umfragen zum Thema Studiengebühren aus dem Jahr 2005. Damals hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Länder Gebühren für das Studium erheben dürfen. Danach gingen die Umfrageforscher auf die Studenten los. Je nach Auftraggeber konnte man sich damals schon denken, ob die Befragten nun für oder gegen Studiengebühren waren.

Bei einer vom Centrum für Hochschulentwicklung in Auftrag gegeben Studie des Meinungsforschungsinstitutes Forsa waren 59 Prozent der Befragten für eine Einführung von Gebühren von 500 Euro. Der Fragebogen verrät warum: Die Befragten hatten überhaupt keine Möglichkeit, sich auch gegen Studiengebühren zu äußern. Sie konnten nur wählen, wie viel sie bereit wären, zu zahlen.

Ein anderes Beispiel: Im gleichen Zeitraum schrieb das Handelsblatt über eine eigens in Auftrag gegebene Studie, bei welcher 1002 Studenten von der Innofact AG befragt wurden: Demnach sprachen sich mehr als zwei Drittel der Studierenden in Deutschland für Studiengebühren aus.

Interessant: Beim Internetdienstleister Yahoo las man dagegen zur selben Umfrage: 40 Prozent der Befragten könnten sich Gebühren schon für ein Erststudium vorstellen - der größte Teil von ihnen aber erst nach Ablauf der Regelstudienzeit. Weitere 30 Prozent sagten, Gebühren sollten erst für das Zweitstudium erhoben werden. Somit erklärt sich, wie das Handelsblatt auf eine Zweidrittelmehrheit gekommen ist.

Der verzerrte Mittelwert

In Deutschland hat laut Statistik jeder Haushalt im Durchschnitt 77.900 Euro Geldvermögen zur Verfügung. Die Wahrheit ist wohl eher: Viele träumen davon, und andere haben bedeutend mehr. Und genau in dieser Ungleichverteilung liegt die Erklärung. Gerd Bosbach und Jens Jürgen Korff erklären das in ihrem Buch Lügen mit Zahlen am Beispiel eines kleinen Dorfes in der Schweiz.

Lebten dort früher 500 Familien, jede mit 2000 Euro Erspartem, sind es heute 501 Familien. Die Besonderheit: Die neue Familie habe aufgrund eines riesigen Aktienpaketes ein Geldvermögen von 200 Millionen Franken. Durch diesen Extremwert steige das durchschnittliche Vermögen des Dorfes auf 400.000 Franken pro Familie.

Übertragen auf ganze Staaten, lässt sich absehen, dass der Mittelwert in Ländern mit einer ungerechten Einkommensverteilung wenig aussagt. Das Geldvermögen der Reichen weicht zu stark von dem Betrag ab, dem sich die meisten anderen Vermögen annähern.

Der Vorteil für den Politiker: Er kann mit dem Mittelwert Probleme auch positiv auslegen. Wenn beispielsweise das Einkommen der Armen stagniert oder gar sinkt, dafür das Einkommen der Reichen überproportional steigt, wird der Mittelwert auch zunehmen. Damit lässt sich leicht behaupten: «Das Durchschnittseinkommen der Bürger ist gestiegen.»

Die Alternative: Um einen Vergleichswert zu haben, steht dem Statistiker noch der MedianBei diesem würden, um im Beispiel zu bleiben, alle Geldvermögen der Größe nach sortiert und die Mitte der entstandenen Reihe betrachtet. zur Verfügung. Dieser Wert ist unabhängig von den Extremwerten an beiden Enden der Vermögensverteilung. In Deutschland lag der Median im Jahr 2007 bei 15.000 Euro, also viel niedriger.

Sind die Gesundheitskosten wirklich so stark gestiegen?

Die Quelle zeigt den Trend

Die Zukunft wird genau so! Derartige Prognosen gibt es viele. Zum Wetter beispielsweise. Dort sind die Vorhersagen zumindest für die nächsten Tage noch relativ sicher und die finanziellen Abhängigkeiten vom Inhalt der Aussage nicht so dramatisch.

Wenn es um die Entwicklung des Ölpreises geht, sieht die Sache schon ganz anders aus. Erdöl exportierende Länder würden niemals sagen, dass in den nächsten Jahren mit einem schnellen Ende der Ölvorräte zu rechnen sei und der Preis pro Barrel weit über die 150-Dollar-Grenze steigen werde. Was würde passieren? Die Industriestaaten würden noch stärker in alternative Energien investieren.

Anders lauten die Prognosen seitens der Spekulanten. Sie sehen den Preis bei 200 Dollar pro Barrel und gehen von einer baldigen Knappheit des Rohstoffes aus. Denn nur Panikmache und die Warnung vor Engpässen treibt den Preis, und das ist gut für die eigene Portmonee - vor allem dann, wenn man schon viel in Rohstoffe wie Erdöl investiert hat.

Die Explosion der Gesundheitskosten

Allzu oft hört man in dieser Zeit von einer Kostenexplosion im Gesundheitswesen. So sind die Gesamtausgaben von 107 Milliarden Euro im Jahr 1992 auf 144 Milliarden Euro im Jahr 2005 gestiegen. Die Politiker werkeln deshalb an ihren Gesundheitsreformen, um die Kostenexplosion mit Sparplänen und Einnahmesteigerungen in den Griff zu bekommen. Erst zu Beginn des Jahres stieg der Arbeitnehmerbeitrag für die Krankenkasse von 14,9 auf 15,5 ProzentDer Anstieg beträgt übrigens nicht 0,6 Prozent wie häufig behauptet wurde, sondern 0,6 ProzentPUNKTE. Und das sind vier Prozent. und die Obergrenze des Zusatzbeitrages wurde gestrichen.

Aber zurück zur Kostenexplosion: Gerd Bosbach und Jens Jürgen Korff schreiben, dass fast alle anderen Ausgaben mit der Zeit ebenso wachsen würden. Die Ursache liege in der allgemeinen Preissteigerung, auch als Inflationsrate bekannt. Und überträgt man das heutige Preisniveau auf das Jahr 1992, lagen die Gesundheitskosten damals bereits bei 135 Milliarden Euro.

Dazu kommt laut Bosbach und Korff, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesen 13 Jahren um 13 Prozent gestiegen sei. Die Autoren schreiben, dass wir alle dadurch 18 Prozent reicher geworden seien, und stellen die Frage, warum wir uns dadurch nicht auch eine teureres Gesundheitssystem leisten könnten? Denn das sei nicht geschehen. Bosbach und Korff haben berechnet, dass der Anteil der Gesundheitsausgaben im Vergleich zum Bruttosozialprodukt in den vergangenen Jahren sogar gesunken sei.

Warum die Krankenkassen trotzdem über Geldnöte klagen, erklären die Autoren so: «Die Löhne und Gehälter der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind seit 1995 schwächer gestiegen als das BIP (und zuletzt sogar real geschrumpft). Dementsprechend schwach sind die BeiträgeZudem gibt es immer mehr prekär Beschäftigte, Selbstständige mit Hungereinkommen, Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger, die nichts oder fast nichts in die Krankenkassen einzahlen können. der Versicherten gestiegen. Auf der anderen Seite wandern Gutverdiener in die privaten Krankenversicherungen ab und gehen den gesetzlichen Krankenversicherungen als Beitragszahler verloren.»

Einfach glauben schmeckt nicht

Dass auch ein kleiner Kommafehler fatale Folgen haben kann, zeigt das Beispiel Spinat. Gerd Bosbach und Jens Jürgen Korff schreiben in ihrem Buch, dass Babys und Kleinkinder in Deutschland jahrzehntelang wegen eines Schusselfehlers mit der grünen, glibberigen Soße gequält wurden.

Schuld soll demnach der Schweizer Wissenschaftler gewesen sein, der sich in seiner Veröffentlichung beim Setzen des Kommas vertan hatte. 100 Gramm Spinat enthalten nicht 35 Gramm Eisen, sondern nur 3,5 Gramm.

Diese Schlampigkeit bei der Veröffentlichung ist nicht zu entschuldigen. Aber ebenso problematisch ist, dass andere Wissenschaftler die Ergebnisse einfach übernommen hatten und die Eltern sich darauf verließen. Auslöffeln mussten es die armen Babys - die Einzigen, die sich nicht wehren konnten, auch deshalb, weil sie wirklich noch nichts von Zahlen und Statistik verstehen.

Lesehinweis:

Autor: Gerd Bosbach / Jens Jürgen Korff
Titel: Lügen mit Zahlen
Verlag: Heyne Verlag
Seitenzahl: 320 Seiten
Preis: 18,99 Euro
Erscheinungsdatum: Januar 2011

Autor: Walter Krämer
Titel: So lügt man mit Statistik
Verlag: Piper
Seitenzahl: 206 Seiten
Preis: 9,95 Euro
Erscheinungsdatum: April 2011

kra/reu/news.de

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