Von den news.de-Redakteurinnen Claudia Arthen und Ines Weißbach - Uhr

«Borgia» im TV: «Die Hoden hängen gut»

Inzest, sexuelle Ausschweifungen, Korruption: Es geht munter weiter im ZDF mit den sündhaften Borgias, die den TV-Zuschauer wieder in düstere Zeiten entführen. Was ist so faszinierend an historischen Stoffen?

Historische Stoffe, insbesondere aus dem Mittelalter, verkaufen sich gut im TV. Das weiß man, seit Die Wanderhure mit Alexandra Neldel dem Münchner Privatsender Sat.1 im vergangenen Jahr eine sensationelle Quote von fast zehn Millionen Zuschauern einbrachte. Egal ob Ritter, Tod und Teufel oder Päpste, Hexen, Huren – die TV-Zuschauer lassen sich gern in dunkle Zeiten zurückversetzen.

Von dieser Begeisterung profitiert derzeit auch das ZDF mit seinem Sechsteiler Borgia: Die erste der 100-minütigen Episoden schauten sich 6,21 Millionen Menschen an. «Für einen anspruchsvollen historischen Mehrteiler ist das eine außerordentlich hohe Akzeptanz», freut sich ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut und denkt bereits an eine Beteiligung des Mainzer Senders an einer zweiten Staffel. Auch an weiteren Ideen für historische Stoffe arbeite das ZDF, fügt Bellut hinzu, ohne Details zu nennen.

Die Serie, deren zweiter Teil heute Abend läuft, erzählt vom Aufstieg der spanischen Adelsfamilie Borgia - jenem berüchtigten Clan um den Patriarchen Rodrigo, gespielt von John Doman, dem es mithilfe von Intrigen im Jahr 1492 gelang, vom Kardinal zum Papst aufzusteigen. Sexuelle Ausschweifungen, blutige Exzesse, Hexerei: Der Sechsteiler zeigt in teilweise drastischen Bildern die dunklen Seiten des Lebens an der Schwelle vom Mittelalter zur Renaissance. Da werden Ohren und Finger abgeschnitten, öffentliche Hinrichtungen ebenso vollzogen wie Orgien mit mehr oder weniger willigen, blutjungen Geliebten.

Die Borgia
Der Papst-Clan
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«Zugegeben, beim Kampf um die Machterhaltung griff die Familie zu extremen Mitteln», erklärt Borgia-Autor Tom Fontana auf der ZDF-Internetseite. «Aber man darf nicht vergessen: Die Borgia lebten am Ende des finsteren Mittelalters, an der Schwelle der Renaissance. Die Härte Gottes begann gerade erst zu verblassen, es erstand der eigenständige Mensch.»

Eine Familie, zwei Serien

Der skrupellose Papst und seine Geschichte taugen gleich für zwei aufwendige Serien. Denn auch Pro7 sendet ab dem 9. November eine dreiteilige Interpretation der Borgias und bedient sich dabei an einem Format, das bereits im amerikanischen Pay-TV lief. Oscar-Gewinner Jeremy Irons (1991 für Die Affäre der Sunny von B.) spielt in dieser Version Papst Alexander VI. Ob die TV-Zuschauer dann immer noch Lust auf die Borgias haben, wird sich zeigen.

Warum erwärmen sich die Menschen eigentlich für eine Epoche, die als düster, kalt und rückständig gilt? Die geprägt war von Pest und Schmutz, von Kriegen und Gewalt? Warum besuchen sie in Massen Mittelalterspiele und -märkte? Warum sind Mittelalter-Romane stets ganz vorn auf den Bestsellerlisten zu finden? Die Säulen der Erde von Ken Follett wurde seit 1990 weltweit 18 Millionen Mal verkauft, auch die Bücher des Autorenpaars Iny Lorentz, darunter Die Wanderhure, sind Millionenseller.

«Das Mittelalter und der Beginn der Renaissance sind für die Leute deswegen interessant, weil es eine reduziertere Welt ist», sagt Alexander Hesse, Leiter der ZDF-Redaktion «Geschichte und Geschehen» und für die Begleitdokumentationen für Historienspielfilme verantwortlich, im Gespräch mit news.de. «Es gab nicht so viele Entscheidungen zu treffen, es ging viel mehr ums Überleben. Dazu kommen die ganz klaren Abgrenzungen zwischen den Ständen und Burgfräuleins, Rittern und Königen. Wir leben in einer Zeit der Überinformation, in einer komplexen Welt. Vielleicht gibt es eine Sehnsucht nach diesem puren und handfesten Leben», vermutet Hesse.

Handfestes mittelalterliches Leben werden die TV-Sender den Zuschauern auch weiterhin bieten. Besonders bei Sat.1 stehen nach den Quotenerfolgen von Wanderhure und Säulen der Erde (hatte im November vergangenen Jahres im Durchschnitt acht Millionen Zuschauer) die Ampeln auf Grün. Der nächste Follett-Vierteiler Die Tore der Welt ist schon abgedreht und auch der zweite Teil der Wanderhure ist bereits «im Kasten».

Die Päpstin und die Puppenspieler

Bei der ARD freut man sich über die Rechte am Kinofilm Die Päpstin mit Johanna Wokalek, der Ende des Jahres in einer 180-minütigen TV-Version gesendet wird, und plant den Zweiteiler Die Puppenspieler nach dem Historien-Roman von Tanja Kinkel.

Bis dahin gibt es erst einmal die Borgias bis zum Exzess, voller derber Sprüche und Szenen – wie die, als geprüft wird, ob der neue Papst tatsächlich ein Mann ist. Schließlich soll ja eine Frau (Johanna) schon einmal als Päpstin amtiert haben. «Habet duos testiculos et bene pendentes» (Er hat zwei Hoden und sie hängen gut), lautet schließlich der Spruch, der Borgia endgültig zum Kirchenvorsteher macht. Deo gratias!

Die Serie Borgia läuft im ZDF am Mittwoch, 19., und Donnerstag, 20. Oktober 2011, sowie am Montag, 24., Mittwoch, 26., und Donnerstag, 27. Oktober 2011, jeweils um 20.15 Uhr. Zusätzlich zeigt das Zweite am Mittwoch, 19. Oktober 2011, 22.15 Uhr, eine Doku mit dem Titel Der Fall Borgia.

pfj/news.de

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