Von news.de-Mitarbeiterin Denise Peikert - Uhr

«Glücksbringer»: Mein Tod gehört mir

Die noch immer grandios aussehende Christiane Hörbiger liebt einen 13 Jahre jüngeren Mann. Im ARD-Film Glücksbringer ist das Paar glücklich, bis Hörbiger eine schlimme Diagnose bekommt: Lungenkrebs. Nun sucht sie nach einer neuen Frau für ihren Mann.

Agnes (Christiane Hörbiger) und Leo Wieland (Filip Peeters) sind als Ehepaar in Höhen und Tiefen vereint. (Foto) Suche
Agnes (Christiane Hörbiger) und Leo Wieland (Filip Peeters) sind als Ehepaar in Höhen und Tiefen vereint. Bild: ARD Degeto/Mona Film/Oliver Roth

Immer, wenn Wien Schauplatz ist für einen Film, wirkt es aus der Zeit gefallen. Dunkel getäfelte Kaffeehäuser, in denen das Rauchen noch erwünscht ist. Ein altes Juweliergeschäft, das mit teurem Schmuck aus echter Handarbeit gutes Geld verdient - nie ist die Rede vom Rauchverbot in Spanien oder der Billigkonkurrenz aus China. Es lebt sich gut in der Enklave der alten Zeit, aber wer dabei zuschaut, ahnt trotzdem, dass es damit zu Ende gehen muss. Deshalb gibt es keinen besseren Ort, um einen Film über das Sterben zu machen: In Wien genießt man auch dazu eine Melange.

Agnes (Christiane Hörbiger) führt mit ihrem 13 Jahre jüngeren Mann Leo (Filip Peeters) eine traumhafte Ehe. Über der Wiener Silhouette bewohnen die beiden ein teuer eingerichtetes Dachgeschoss und betreiben ein gut gehendes Juweliergeschäft: Er bastelt Steine und Metall zu Schmuck, sie verkauft ihn. Doch dann erfährt Agnes von ihrem Lungenkrebs: fortgeschrittenes Stadium, sofortige OP, Chemotherapie. Sie malt sich aus, wie Leo ihren zusammengefallenen Körper pflegen müsste, verheimlicht ihm die Krankheit und sucht nach einer neuen Frau für ihn.

Gewollte Eifersucht

Die Liebe ist nicht für rationale Entscheidungen gemacht. Agnes merkt das schnell. «Es geht nicht nur ums Loslassen, ich muss ihn ja regelrecht wegstoßen», sagt sie ihrer dementen Mutter (Maria Urban), der einzigen, der sie sich mangels Reaktion und guter Ratschläge anvertraut. «Das tut ihm weh und mir auch.» Schwerer als an ihrer Krankheit trägt Agnes am Ende einer Liebe, das sie selbst gewollt hat. Christiane Hörbiger stellt diese Ambivalenz nuancengenau dar: Gerade noch die Freude darüber, dass der Plan aufzugehen scheint, nun plötzlich die Eifersucht. Leo ist mit dieser rabiaten Wandlung seiner Frau überfordert und Darsteller Filip Peeters schreibt ihm jedes Mal gekonnt ehrliche Verblüffung ins Gesicht.

So einfühlsam Regisseur Jörg Grünler die Gefühle seiner beiden Hauptprotagonisten abfilmt, so bieder kommt die Geschichte drum herum daher. Eigentlich hat Agnes Glück: Der Zufall spült die attraktive Vera (Muriel Baumeister) und ihren Sohn Max (Simon Morzé) in ihr Leben. Leo ist angetan von der sympathischen Eventmanagerin und vernarrt in ihren Sohn.

Die Konstellation hat Potenzial für Witz und Charme, beides geht ihr aber in der Umsetzung Grünlers ab: Es geschieht kein Missgeschick, als Agnes Vera und Max zum Essen einlädt, es gibt lange keine wirklichen Reibungspunkte – weder zwischen Agnes und Vera noch zwischen den Eheleuten. Und dann steckt auch noch Leo der inzwischen heillos verliebten Vera einen seiner entworfenen Ringe an – zum Test, ob er noch eine Perle anschrauben soll. Die Situation ist so gestellt wie alle der halb gewollten, halb nicht gewollten Annäherungen zwischen den beiden – Stichwort: gemeinsamer Motorradausflug im Winter.

Inszenierung mit Schwächen – Geschichte mit Tiefe

Die Inszenierung hat noch andere Schwächen: Die Musik von Marius Ruhland drängt sich stampfend und heulend auf, die viel zu häufig eingesetzten Überblendungseffekte machen schwindelig und manchmal wirken sie, als handele es sich um einen Disneyfilm. Allerdings gelingt es dem großen Stoff von Drehbuchautor Werner Sallmaier, das aufzufangen – auch wenn man sich erst einmal mit der wenig realistischen Ausgangssituation abfinden muss: Eine Frau erzählt ihrer großen Liebe nichts von einer schweren Krankheit und verkuppelt ihn stattdessen mit einer anderen. Schwer vorzustellen, wie das in der eigenen Nachbarschaft geschieht.

Wer aber dieses Gedankenspiel akzeptiert, kann sich von Glücksbringer eine Sinnebene tiefer tragen lassen: «Mein Tod gehört mir», schreit Agnes ihre kranke Mutter an, unfähig, sich einen positiven Ausgang von OP und Chemotherapie vorzustellen. Aber ebenso wie die Liebe ist der Tod immun gegen Rationalität. Agnes glaubt es auch damit aufnehmen zu können, wirft sich in ein rotes Kleid und will «in den Himmel fliegen». Zu ihren Füßen: Wien, Kaffeehäuser und ein Juweliergeschäft.

Titel: Glücksbringer
Regie: Jörg Grünler
Darsteller: Christiane Hörbiger, Filip Peeters, Erwin Steinhauer, Muriel Baumeister, Simon Morzé, Maria Urban, Dany Sigel
Sendetermin: Freitag, 7. Januar, 20.15 Uhr im Ersten

car/voc/reu/news.de

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