Von news.de-Redakteur Christian Vock - Uhr

Skandale und Klassiker: Legendäre «Tatort»-Folgen

Fast 800 Mal ermittelten Kommissare in einem Tatort. Manche Folgen sorgten für einen handfesten Skandal. Wegen einer Folge gingen in Köln sogar einmal tausende Menschen auf die Straße. News.de zeigt, welche Tatort-Folgen Geschichte schrieben.

Der Vater mit seinem Kind: Tatort-Erfinder Gunther Witte mit einem Szenenbild von Taxi nach Leipzig. (Foto) Suche
Der Vater mit seinem Kind: Tatort-Erfinder Gunther Witte mit einem Szenenbild von Taxi nach Leipzig. Bild: dpa

Taxi nach Leipzig

Mit Taxi nach Leipzig fing alles an. Am 29. November 1970 ermittelte zum ersten Mal ein Kommissar im Rahmen der neuen Krimi-Reihe. An einem Autobahnrastplatz bei Leipzig wird die Leiche eines Jungen gefunden. Das Besondere: Der Junge trug Schuhe aus Westdeutschland. Die DDR-Behörden fordern deshalb Amtshilfe von der BRD an. Obwohl die DDR diese Bitte bald wieder zurückzieht, führt der Hamburger Hauptkommissar Paul Trimmel (Walter Richter) die Ermittlungen weiter. Die führen ihn auch mit dem Auto in die DDR. In der Nähe von Leipzig täuscht Trimmel eine Panne vor und nimmt sich für die Weiterfahrt ein Taxi (daher der Titel).

Insgesamt elf Mal ermittelte Walter Richter als Hauptkommissar Paul Trimmel. Seinen letzten Fall hatte er am 19. September 1982 zu lösen. Taxi nach Leipzig war nicht nur der Auftakt zu einer der erfolgreichsten Krimi-Reihen des deutschen Fernsehens, sondern hatte gleich zu Beginn eine sagenhaft gute Quote. Mit 61 Prozent Marktanteil, natürlich bei sehr viel geringerer Konkurrenz als heute, lagen die Zuschauerzahlen in einem Bereich, von dem man heute nur träumen kann.

Dass die verschiedenen Tatort-Kommissare über ganz Deutschland verteilt wurden, hatte einen einfachen Grund: das Geld. Weil eine ganze Krimi-Reihe für eine einzelne Sendeanstalt nicht zu stemmen gewesen wäre, nutzte Tatort-Erfinder Gunther Witte den föderalen Aufbau der ARD und verteilte die Kosten auf viele Schultern.

Reifezeugnis

Fragt man heute nach einer berühmten Tatort-Folge, wird sie wahrscheinlich zuerst genannt: Reifezeugnis. Der Stein des Anstoßes war nicht etwa der Mord - eine Schülerin erschlägt einen Klassenkameraden mit einem Stein - sondern die Geschichte um den eigentlichen Mordfall herum: Schülerin Sina (Nastassja Kinski) verliebt sich in ihren Klassenlehrer Helmut Fichte (Christian Quadflieg), er erwidert ihre Liebe. Als Mitschüler von der Liaison zwischen dem verheirateten Lehrer und der minderjährigen Schülerin Wind bekommen, gerät die Sache außer Kontrolle.


Die Tatort-Folge von Das Boot-Regisseur Wolfgang Petersen sorgte nach seiner Ausstrahlung 1977 für einen Skandal. Nicht zuletzt aufgrund der Liebesszene zwischen dem erwachsenen Quadflieg und der damals erst 16-jährigen Kinski, bei der sie teilweise nackt zu sehen ist. Für die Tochter des exzentrischen Schauspielers Klaus Kinski war Reifezeugnis der Startschuss ihrer Karriere. In der Zwischenzeit ist der Film zu einem Klassiker unter den Tatorten gereift und zugleich eine der am häufigsten wiederholten Folgen.

Warum in Köln Tausende gegen eine Tatort-Folge protestierten

Die Liebe derSchlachter

Für Schlagzeilen ganz anderer Art sorgte 2003 die Folge Die Liebe der Schlachter aus Bremen. Diesmal ging es nicht um pikante Liebesszenen, sondern um die Darstellung von Gewalt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Die Bild-Zeitung titelte seinerzeit «Skandal um Ekel-Tatort. Der Tote hing am Fleischhaken» und schrieb weiter «Und für so was sollen wir noch höhere TV-Gebühren zahlen...» Was war passiert?

In besagter Tatort-Folge spielen Maja Maranow und Hannes Jaenicke das Schlachter-Paar Hans und Lisa Pietsch, dessen Ehe zerrüttet ist. Als Lisa in einer Szene von einem Mann sexuell bedrängt wird, packt Hans beherzt zu und schleudert den Mann weg. Der landet unglücklich auf einem Fleischerhaken. Ein Mann am Haken und ein Tatort im Schlachthausmilieu – in der Tat zeigte sich die Krimi-Reihe in dieser Folge von ihrer deftigeren Seite. Der Wirbel, den der Film zunächst auslöste, hatte sich aber schnell wieder gelegt.

Wem Ehre gebührt

Das war vier Jahre später nicht der Fall. Die Tatort-Folge Wem Ehre gebührt geriet bereits vor ihrer Ausstrahlung zum Politikum. Der Grund: Die alevitische Gemeinde in Deutschland fühlte sich durch die Geschichte beleidigt, da diese alte Vorurteile gegen die Aleviten wieder hervorhole. In dem NDR-Tatort wird die junge Alevitin Selda schwanger, nachdem sie von ihrem Vater missbraucht worden ist. Der wiederum brachte Seldas Schwester Afife um, weil sie den Inzest der Polizei melden wollte.

Das Inzestmotiv in Verbindung mit dem alevitischen Glauben und die spätere Hinwendung Seldas zum orthodoxen Islam brachte die alevitische Gemeinde auf die Barrikaden und führte zu Vorwürfen gegen die Drehbuchautorin Angelika Maccarone. Die Aleviten sind eine Glaubensgemeinschaft, die sich seit Jahrhunderten den Inzest-Vorurteilen der sunnitischen Mehrheit ausgesetzt sieht. Nach der Ausstrahlung am 23. Dezember kamen sieben Tage später in Köln bis zu 30.000 Menschen zu einer Protestkundgebung zusammen. Der Dachverband der Aleviten in Deutschland erstattete sogar Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Regisseurin und Drehbuchautorin Maccarone erklärte, dass es ihr völlig fern gelegen habe, eine Minderheit wie die Aleviten in Aufruhr zu versetzen und dass es ihr leid tue, rechtfertigte aber gleichzeitig ihren Film vor den Vorwürfen.

wie/ivb/news.de

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