Von news.de-Mitarbeiter Tobias Köberlein - Uhr

Lavinia Wilson im Interview: «Ein gewisser Brainfuck macht mir Spaß»

Eigentlich ist sie eine Indie-Ikone, abonniert auf Arthouse-Filme. Jetzt ist die Berlinerin bei ProSieben zum ersten Mal in einem lupenreinen Sci-Fi-Thriller zu sehen. News.de traf sie zum Interview.

Schauspielerin Lavinia Wilson. (Foto) Suche
Schauspielerin Lavinia Wilson. Bild: dpa

Kreuzberg um die Mittagszeit: Wash-and-Go-Wetter, es regnet in Strömen. Die Bänke in der Kneipe, die Lavinia Wilson für das Gespräch ausgesucht hat, sind noch fast leer. Sie kommt fünf Minuten zu spät. Ihre Haare sind nass. Die 29-Jährige wohnt um die Ecke – zusammen mit ihrem Freund und Kollegen Barnaby Metschurat (Solino). Gerade waren sie für ein paar Tage in den Alpen. Nachdem sie einen Früchtetee bestellt hat, erzählt die Schauspielerin von ihrem Missgeschick. Beim Wandern ist ihr eine Kuh auf den Fuß getreten. Jetzt plagt sie eine Entzündung. Lavinia Wilson lacht den Schmerz weg. Sympathisch. Kann losgehen.

Sie haben sich bisher vor allem durch Arthouse-Filme einen Namen gemacht. Welchen Reiz hat da ein Genre-Film wie Tod aus der Tiefe?

Lavinia Wilson: Ich hatte einfach mal Lust auf so einen Film. Vor allem machte es Spaß, selbst Sätze zu sagen, die man schon hundertmal in amerikanischen Actionfilmen gehört hat. Die Kamera fährt auf dich zu (sieht den Interviewpartner mit gespieltem Ernst an): «Du meinst, es gibt verschiedene Erreger?» (lacht). Es ist schon eine Herausforderung - wenn ich mir ein gewisses Maß an Selbstironie erlaube - mir ernsthaft vorzustellen, dass ich auf der Suche nach meiner Tochter bin, die im Meer von einem Einzeller-Muttertier gefangen gehalten wird. Das erfordert ein hohes Maß an Selbstmanipulation, macht aber auch viel Spaß.

Der Film wirkt – ob gewollt oder nicht – ein bisschen wie eine Selbstparodie ...

Wilson: Das war schon so gewollt, bis zur völligen Übertreibung zu gehen und trotzdem einen unterhaltsamen Film zu machen, der den Zuschauer mitreißt. Eine ironische Distanz zum Genre ist ganz bewusst vorhanden.

Die Gefahr ist groß, dass diese Ironie vom Zuschauer nicht verstanden wird.

Wilson: Das stimmt, man muss sich darauf einlassen. Mir gefällt an dem Film, dass er auch in all seinen Übertreibungen konsequent ist und sich etwas traut. Das ist kein Film, der sich an irgendeiner Vorstellung von Konsens entlang hangelt. Und natürlich ist er sehr anders als die Filme, die ich bisher gemacht habe. Obwohl: Die Schlusssequenz in der Tauchglocke ist schon wieder nahe dran am Arthouse-Kino (lacht).

Sie haben einmal gesagt, dass es Filme gibt, die Sie machen, um Ihre Miete bezahlen zu können ...

Wilson: Ja, das sind in der Regel relativ langweilige Fernsehprojekte. Tod aus der Tiefe gehört aber nicht in diese Kategorie. Hier hat mich wirklich die Konsequenz interessiert, mit der dieses Projekt vorangetrieben wurde. Für mich ist der Film viel interessanter als die x-te Familienkomödie oder der nächste Whodunit-Krimi.

In nächster Zeit sind Sie ungewöhnlich oft im Fernsehen zu sehen ...

Wilson: Ja, dieses Jahr kommen noch fünf Filme. Ein Tatort ist dabei und auch ein ZDF-Thriller. In Lenz, einer experimentellen Verfilmung der Erzählung von Georg Büchner, habe ich auch eine kleine Rolle übernommen, weil mein Freund Barnaby Metschurat mitmacht, mit dem ich seit neun Jahren zusammen bin. Wir haben seit Julietta (2001) nicht mehr zusammen gespielt. Ein Film wie Lenz war der perfekte Moment, sich das wieder einmal zu trauen.

Warum? Hatten sie Bedenken, dass es nicht funktioniert?

Wilson: Spielen ist etwas sehr Intimes. Obwohl man als Schauspieler bei sich selbst bleibt, behauptet man doch etwas. Überspitzt gesagt: Man lügt. Und auch wenn ich wahrscheinlich die ganze Welt super anlügen kann, wusste ich nicht, ob ich das bei Barnaby auch könnte. Ich hatte die Befürchtung, dass sich aufgrund dieser Überlegung alles verkrampft und plötzlich eine Blockade da ist. Diese Angst hat sich zum Glück aber als unbegründet erwiesen.

Sie sind eher im dramatischen Fach zu Hause. Warum haben wir Sie noch nie in einer lupenreinen Komödie gesehen?

Wilson: Ich arbeite daran. Lust habe ich schon, aber Komödien entsprechen irgendwie nicht der Art des Spielens, die ich mir über die Jahre angeeignet habe. Es müsste also schon etwas Schlaues sein, am besten eine ganz schräge Rolle in einem subversiven Film.

Haben Sie eigentlich beim Dreh immer noch Ihre Bücher für die Uni dabei? Sie studieren Philosophie an der Fernuni Hagen.

Wilson: Ich bin seit drei Wochen scheinfrei und bereite mich jetzt auf die Abschlussprüfungen vor. In meinem ersten Nebenfach Geschichte geht es um Frauen in der Antike. Für die Magisterarbeit rechne ich aber noch zwei weitere Jahre ein. Weil ich mit dem Studium keine Karriere anstrebe, stehe ich nicht so sehr unter Zeitdruck.

Trotzdem erfordert ein Studium neben dem Beruf viel Selbstdisziplin. Wo nehmen Sie die her?

Wilson: Das liegt am Stoff. Ich habe mit dem Studium begonnen, um nachzusehen, ob mein Hirn noch da ist und funktioniert. Bei der Arbeit für das Fernsehen merkt man das ja nicht immer. So ein Ausgleich ist schon sehr hilfreich.

Was sagen Ihre Kollegen dazu?

Wilson: Da gibt es unterschiedliche Reaktionen. Viele sind beeindruckt, andere abgeschreckt. Ich laufe jetzt aber auch nicht über den Set und nerve alle mit dem kategorischen Imperativ. Schwierig wird es nur dann, wenn Leute aufgrund meines Philosophie-Studiums Lebenshilfe von mir erwarten. Als ob ich ihnen deshalb vermitteln könnte, was der Sinn des Lebens ist. Es ist doch eher so: Je mehr ich weiß, desto weniger traue ich mir zu, irgendeine Aussage mit absolutem Wahrheitsanspruch zu machen (lacht).

Haben Sie innerhalb der Philosophie besondere Interessen?

Wilson: Ein gewisser Brainfuck macht mir schon Spaß. Die Zeittheorie finde ich spannend. Außerdem habe ich vor kurzem begonnen, mich in die Diskursanalyse einzuarbeiten. Und natürlich bin ich weiterhin ein Fan der alten Griechen. Die hatten einen großartigen Humor, auch wenn das nicht immer so deutlich wird. Ich warte aber immer noch auf den Moment, an dem ich ein Buch aufschlage und einen Ansatz finde, bei dem ich mich aufgehoben fühle. Das ist mir bisher noch nicht passiert.

Das Studium gibt dem Leben auch eine Struktur. Was machen Sie denn, wenn Sie damit fertig sind?

Wilson: Vielleicht Kinder kriegen? (lacht) Nein, ehrlich: Das werde ich sehen, wenn es soweit ist. Pläne zu schmieden ist eine wunderbare Beschäftigung. Ich mache auch wahnsinnig gerne Listen. Das Schönste daran ist, dass ich alles jederzeit wieder völlig umwerfen kann.

In ihren Filmen haben Sie schon alle möglichen psychischen Grenzerfahrungen ausgelotet. Was soll da eigentlich noch kommen?

Wilson: Es geht immer noch tiefer. Ich merke gerade, dass mir jetzt immer öfter auch Mutterrollen angeboten werden. Anscheinend habe ich den Sprung vom Mädchen zur Frau geschafft. Das ist sehr angenehm und eine beruhigende Vorstellung. Die Rollen werden spannender, je älter man wird. Mir fallen da noch eine Menge abgefahrener Charaktere ein. Vielleicht spiele ich mal eine fitnesswahnsinnige Umweltaktivistin (lacht). Das wäre doch endlich eine tolle Rolle für eine Komödie.

Lavinia Wilson (29) gab ihr Kinodebüt bereits mit elf Jahren in Sherry Hormanns Leise Schatten. Seitdem ist sie regelmäßig in TV- und Kinoproduktionen zu sehen, darunter auch Krimi-Reihen wie Der letzte Zeuge und Tatort. 2005 erhielt Wilson den Max-Ophüls-Preis als beste Nachwuchsschauspielerin für ihre Nebenrolle in dem Film Allein.

voc/kat/news.de

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