Von news.de-Redakteur Ullrich Kroemer - Uhr

London 2012: Die tragischsten Paralympics-Schicksale

Lachend, singend und tanzend haben die 4200 Paralympioniken am Mittwochabend die 14. Behindertenspiele eröffnet. Dabei haben sie alle tragische Lebensgeschichten. News.de erzählt die Schicksale von fünf Athleten, die sich zurück ins Leben und zum Leistungssport gekämpft haben.

Es ist ein Tag im Sommermärchen-Sommer 2006, der Vanessa Lows Leben verändert. Die damals 15 Jahre alte Teenagerin gerät unter einen Zug. Wie genau alles geschah, daran kann und will sie sich nicht mehr erinnern. Doch als sie nach zwei Monaten aus dem künstlichen Koma aufwacht, fehlen ihr unterhalb der Knie beide Beine. Sie muss erst lernen, mit Prothesen zu laufen und beschließt dennoch bereits im Krankenhaus, auch nach dem tragischen Unglück Sport zu treiben - mit durchschlagendem Erfolg.

Drei Jahre nach der Amputation wird Vanessa Low in ihrer SchadensklasseZiel der Klassifizierungssysteme ist, die Teilnehmer und Teilnehmerinnen einer Sportart in ähnliche Gruppen zusammenzufassen, so dass die Leistungen untereinander vergleichbar werden. Die Chance auf faire und spannende Wettkämpfe soll gewährleistet sein. Details unter: www.dbs-npc.de/leistungssport-klassifizierung.html Weltmeisterin im Weitsprung. Bei den Paralympics in London will sie ebenfalls Gold holen. Auch über 100 Meter geht sie an den Start. Genau wie ihr Freund Markus Rehm, dessen rechter Unterschenkel nach einem Unfall beim Wakeboarden amputiert werden musste. Beide haben sich in der Leverkusener Trainingsgruppe der früheren Speerwurf-Weltmeisterin Steffi Nerius kennengelernt, die bereits seit Jahren gehandicapte Sportler betreut.

Die 14. Paralympics in Zahlen
London 2012
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Ilke Wyludda siegte bei Olympia und startet nun bei den Paralympics

Als Nerius noch aktiv ist, steht sie gemeinsam mit Ilke Wyludda im Aufgebot, das der Deutsche Leichtathletik-Verband zu Europa- und Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen entsandte. Bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 belegt Nerius im Speerwerfen den neunten Platz, ihre Teamkollegin Ilke Wyludda feiert zeitgleich den größten Erfolg ihrer langen Karriere. Im Olympischen Finale schleudert sie den Diskus auf 69,66 Meter und holt Olympiagold. 2000 beendet sie, von vielen Verletzungen und Schmerzen entnervt, ihre Karriere.

Doch die Qualen holen sie elf Jahre später wieder ein. Nach einer bakteriellen Infektion in einer offenen Wunde muss der Medizinerin am 9. Dezember 2011 der rechte Unterschenkel amputiert werden. Es ging um Leben oder Tod, Ilke Wyluddas Überlebenschancen lagen bei 50 Prozent. «Ich hatte die Wahl, das Bein zu verlieren oder mein Leben. Aber ich wollte leben», sagte Wyludda nach der OP. Um die Belastungen als Assistenzärztin in einer Hallenser Klinik zu meistern, entscheidet sie sich, wieder aktiv Sport zu treiben, und qualifiziert sich auf Anhieb für die Paralympics. Mit 43 Jahren beginnt für Wyludda noch einmal eine neue Karriere - auch wenn sich die einst weltbeste Olympionikin noch nicht mit den Besten der Paralympics messen kann.

Fahnenträgerin Daniela Schulte verlor schleichend ihr Augenlicht

Die blinde Schwimmerin Daniela Schulte gehört dagegen zu den erfolgreichsten deutschen Paralympioniken. Zwei Gold-, drei Silber- und eine Bronzemedaille hat die Berlinerin seit Atlanta 1996 geholt. Bei der glanzvollen Eröffnungsfeier am Mittwochabend durfte die Berlinerin das deutsche Team als Fahnenträgerin ins Londoner Olympiastadion führen. Sehen konnte Daniela Schulte von dem Eröffnungsspektakel, den 62.000 Zuschauern und der Queen nichts, denn seit ihrem neunten Lebensjahr verlor Schulte nach und nach ihr Augenlicht bis zur völligen Erblindung.

Seit sie 13 ist, bestreitet die 14-malige Weltmeisterin Wettkämpfe für Schwimmer mit Handicap. Auf Ihrer Homepage schreibt die Mutter von Zwillingen «ganz mit Stolz erfüllt»: «Es ein wunderbares Erlebnis. Neben dem offiziellen Teil hat mich vor allem das Zusammenspiel von Musik und Feuerwerksakustik berührt. Am Ende war ich zwar ganz schön durchgefroren - aber überglücklich.»

Rollstuhl-Basketballer Sercan Ismail stürzte als Kleinkind vom Balkon

Fast sein gesamtes Leben lang muss Sercan Ismail bereits mit seiner Behinderung klarkommen. Als er zwei Jahre alt ist, stürzt der Münchner von einem Balkon. Seitdem ist er querschnittsgelähmt. Von einer Sportkarriere hält ihn das nicht ab.

Ismail vom USC München steht im Aufgebot der Rollstuhlbasketballer - die Paralympics-Teilnahme ist sein bislang größter sportlicher Erfolg. Als sein Motto gibt Sercan Ismail auf der Homepage seines Klubs an: «Genieß' jeden Tag, als wäre es dein letzter.» Eine bewundernswert positive Lebenseinstellung, die auf viele der 150 deutschen Paralympioniken zutrifft.

zij/news.de/dpa

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