Von news.de-Mitarbeiter Nikolaus Klamroth - Uhr

Sigmund Jähn: DDR-Held mit dürftiger Kosmonauten-Rente

Er war der «Held der DDR», schoss als erster Deutscher 1978 ab ins All. Dann kam die Wende. Heute lebt der kommunistische Vorzeigekosmonaut zurückgezogen und ist noch immer mit der Raumfahrt beschäftigt. News.de hat Sigmund Jähn getroffen.

Dr. Sigmund Jähn bei einem seiner seltenen Vorträge. (Foto) Suche
Dr. Sigmund Jähn bei einem seiner seltenen Vorträge. Bild: dpa

«Ich freue mich, dass er heute unser Gast ist und ich darf ihn mit gutem Gewissen als lebende Legende vorstellen...». «Nein», mit leisem aber dennoch energischem Tonfall unterbricht Dr. Sigmund Jähn die Einleitung zu seinem Vortrag «Deutsche Beiträge zur bemannten Raumfahrt» am Mittwoch an der Universität Leipzig und erfährt ein erstes Gekicher aus dem bis auf den letzten Platz gefüllten Hörsaal. Zu viel Lobeshymnen scheinen dem einstigen DDR-Raumfahrtpionier nicht angebracht.

Jähn ist mittlerweile 73 Jahre alt und öffentliche Auftritte wie dieser sind streng auserwählt und rar geworden. «Es kommen nach wie vor Anfragen rein, aber Herr Dr. Jähn bittet um Verständnis, dass er den vielen Einladungen nicht mehr nachkommen kann und will», erklärt eine Mitarbeiterin seiner Raumfahrtausstellung in Morgenröthe-Rautenkranz, Jähns Geburtsort im Naturpark Erzgebirge-Vogtland.

«Held der DDR» und «Held der Sowjetunion»

Am 26. August 1978 war der Kosmonaut Sigmund Jähn in den Weltraum gestartet. Ein gefeiertes Ereignis im geteilten Deutschland. Der damals 41-Jährige erhielt nach seiner Rückkehr die Auszeichnungen «Held der DDR» und «Held der Sowjetunion», aber auch die Tagesschau berichtete an vorderster Stelle über den ersten Deutschen im All.

Als Offizier der NVA-Jagdfliegerstaffel und späterer Inspekteur der Luftstreitkräfte hatte sich Jähn damals gegen seine Mitbewerber durchgesetzt. «Mein Russisch war ganz gut und in diesem Drehstuhl habe ich es ohne Bauchschmerzen auch lange ausgehalten», begründet Jähn seinen Zuhörern an diesem Abend die Nominierung für den Flug mit der Sojus 31, dem sowjetischen Raumschiff. «Man hätte gleiche Tauglichkeitstests aber auch mit zwei bis drei gut gefüllten Gläsern Wodka durchführen können», fügt er mit einem verschmitzen Lächeln hinzu und ist sich der guten Laune seiner Zuhörer sicher.

Überhaupt, der promovierte Physiker versteht es, seinem Publikum - seien es die vielen anwesenden gleichaltrigen Zeitgenossen oder die jungen Studenten – den chronologisch strukturierten Vortrag immer wieder mit erfrischenden Anekdoten anzureichern.

Die Faszination im Saal ist auf beiden Seiten spürbar, als Jähn von ihm damals mit der Multispektralkamera aufgenommene Bilder an die große Leinwand projiziert. Auch wenn er dabei immer wieder zu verstehen gibt, man könne noch so viele Fotografien der Erde und der Planeten zeigen, das Gefühl wirklich dort oben zu sein, sei unbeschreiblich: «Diesen Schatz, den man im Kopf hat, kann man nur unscharf vermitteln. Alle 90 Minuten ein Sonnenaufgang. Das verändert einen.»

«Ich war gern ein Kind der DDR»

Dass er diese exklusive Reise 1978 und nicht vielleicht 2010 antreten durfte, freut Jähn. Mit seiner Meinung über die damaligen Strukturen in der DDR und in der Sowjetunion hält er sowieso zu keiner Zeit hinterm Berg: Sandmännchen ein Portrait Honeckers im Gepäck hatte. Familieninterne Diskussionen mit Enkelsohn Daniel, ein studierter Betriebswirt, kommentiert er flapsig: «Er weiß nicht, wer Marx ist. Und ich kenne diese kapitalistischen Wirtschaftsgelehrten nicht.»

Mit seinen Auszeichnungen aus DDR-Tagen und auch mit seinen Offiziersrängen darf sich Sigmund Jähn heute nicht mehr schmücken. Seit 1990 ist er als freier Berater für das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) und die Europäische Weltraumbehörde (ESA) tätig. In den vergangenen Jahren hat er auch deutsche Astronauten bei ihren Vorbereitungen auf einen Einsatz im All begleitet. Der zweimalige Raumfahrer Thomas Reiter zählt heute zu seinen Freunden.

Zufrieden trotz dürftiger Rente

Jähn führe ein zufriedenes Rentnerdasein, hat Kinder und Enkelkinder und verbringt viel Zeit in der Natur, auch wenn er auf Nachfrage eines Zuhörers anmerkt: «Wenn ich die Pension meiner Frau und mir zusammen zähle und durch zwei teile, bin ich nah am Hartz-IV-Satz.»

Internationale Zukunftsprojekte, wie beispielsweise eine bemannte Mission zum Mars, findet Sigmund Jähn spannend. Seiner Hörerschaft gibt er aber mit auf den Weg: «Bevor wir uns mit solchen Dingen detailliert beschäftigen, müssen wir alle zusammen dafür sorgen, dass diese Welt - die ich von oben gesehen habe - nicht weiter zerstört -, sondern in Stand gehalten wird.»

jag/news.de

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