Von news.de-Redakteurin Isabelle Wiedemeier - Uhr

VEB Minol: Wo die Stasi mit Konto 884488 zahlte

Als Peter Karrow Tankwart wurde, war die Welt eine andere. Alle fuhren das gleiche Auto, auch die Stasi brauchte Benzin und Preiskampf war ein Fremdwort aus dem kapitalistischen Ausland. Heute betreibt Karrow die letzte Tankstelle der DDR-Marke Minol.

Peter Karrow ist nicht der Minol-Pirol, aber der letzte Minol-Tankwart. (Foto) Suche
Peter Karrow ist nicht der Minol-Pirol, aber der letzte Minol-Tankwart. Bild: news.de

Damals waren alle Autos beige. Und alle Tankstellen rot-gelb. Es war die Zeit, als es in diesem östlichen Teil des Landes (fast) nur eine Sorte Pkw gab und definitiv nur eine Art von Tankstellen. Peter Karrow hieß einer der Auserwählten, die dort VK 94, VK 88 oder das legendäre Benzin-Öl Gemisch für den Trabanten in den Tank lassen durften. Denn in so einen Job beim Volkseigenen Betrieb Minol, «da kam man schwer rein», erinnert sich Karrow. Übriggeblieben bei Minol ist nur er.

1976 hatte Peter Karrow Glück, dass zwei Mitarbeiter der Minoltankstelle an der Leipziger Marschnerstraße die Ausreise aus der Deutschen Demokratischen Republik beantragten, sie genehmigt bekamen – und offenbar auch zu DDR-Zeiten Vitamin B Lebensläufe verändern konnte: Die Ausreisenden waren der Bruder seines besten Freundes und dessen Frau, und so konnte Karrow die Knochenarbeit als Stahlbauer gegen den Dienst an der rot-gelben Zapfsäule eintauschen.

Heute sind Tankstellen blau, grün, rot, blau-gelb und ja, auch rot-gelb. Doch als 1989 der Westen kollektiv Einzug im Osten hielt, war die Farbkombination des VEB Minol von einem Mineralöl-Weltkonzern belegt. Shell hat es Peter Karrow zu verdanken, dass er heute eine lila Latzhose trägt und das M in Pink auf seine, die allerletzte Minoltankstelle an der Lützner Straße in Leipzig-Lindenau hinweist.

Ostalgie im lila-gelb-pinkfarbenen Gewand

1993 stieg Karrow vom Tankwart zum Tankstellenpächter und in den vergangenen Jahren dann zum Medienstar auf. Er nimmt das alles mit Gleichmut. Die lila Hosen, den Medienrummel. «Es ist doch bloß eine Tankstelle», sagt er und schaut sich in seinem Dienstzimmer um. Er kann sich nicht so richtig entscheiden zwischen Stolz und Bescheidenheit, immerhin hat er die Zeitungsartikel in Rahmen an die Wand gehängt, sogar die Financial Times, «der Journalist kam mit der Straßenbahn».

Nur dieses Zitat aus der DDR-Werbung, das auch überall drinsteht, «Stets dienstbereit zu ihrem Wohl», das nervt ihn ein bisschen. «Das habe ich nie gesagt.» Mit dem Pirol, dem gelb-roten Werbevogel, zeigt er sich jedoch geduldig. Obwohl, eigentlich habe das Original-Maskottchen zu Ostzeiten blaue Arbeitskleidung getragen, genau wie die Tankwarte auch, klärt Karrow das Wirrwarr von Farben, Kapitalismus und Ostalgie.

Ja, ausgerechnet diese poppig in lila-gelb-pink getauchte Tankstelle ist das Ostalgie-Produkt der Mineralölwelt. Eigentlich ist Minol heute französisch, Teil des Total-Konzerns, doch nachdem zwischenzeitlich mal «elf» an der Tankstelle geprangt hatte, vertritt Karrow nach außen seit 2004 wieder die Marke Minol - ein marktwirtschaftlicher Schachzug des Konzerns. Denn bliebe der Markenname fünf Jahre ungenutzt, stünde er wieder zur Verfügung: «Da bräuchte man keine Werbung, das würde von alleine laufen», ist Peter Karrow sicher. Im Osten ist Minol eben noch ein Begriff, wie Mitropa oder Konsum.

Damals, wie man hier gern sagt, wenn man vor 1989 meint, tankten die meisten Gemisch: 1:33 oder 1:50 wurde das verbleite Benzin mit Öl versetzt, damit der Trabantmotor geschmeidig tuckerte. Heute lässt Kathrin Heyde bleifreies Benzin in ihren Corsa laufen. Ja, sie ist sich bewusst, dass sie beim letzten Rest des VEB Minol tankt. Einen Sympathiebonus gibt es bei ihr dafür jedoch nicht – trotzdem kommt sie häufig: «Es ist ein paar Cent günstiger». Weil's billiger ist, fährt auch die 22-jährige Toyotafahrerin hier an die Säule. Für nostalgische Erinnerungen ist sie zu jung. Vor dem kapitalistischen Preiskampf schützt Karrow auch die Ostalgie nicht. Mehrmals am Tag checkt er die Preise der Anderen, Go, Bavaria, Aral, OMV und Jet konkurrieren in nächster Nähe.

Die Stasi tankte bei Karrow

Sieben oder acht Ableger hatte der VEB Minol in ganz Leipzig, als Peter Karrow an der inzwischen verschwundenen Tankstelle vor dem neuen Rathaus zapfte, seiner ersten Anstellung 1976. Konkurrenz war ein Fremdwort, man bediente den Kunden und kassierte mit der Umhängetasche ab. Es gab noch Gespräche zwischen Säule und Trabbi oder gelegentlich auch am Lada oder Volvo.

«Das Stasi-Gebäude am Ring war ja gleich in der Nähe, die kamen bei mir auch vorbei», erinnert sich der letzte Minolaner. Mit wem er es zu tun hatte, erkannte er jedoch nicht unbedingt am Fahrzeugtyp: «Sie brachten solche Kartenhefte mit, und es sickerte bald durch, dass die Kreditnummer der Stasi 884488 war.» Ein wichtiges Detail - denn auch viele Staatssicherheitsdienstler fuhren unauffällig beigefarbenen Trabant.

car/reu/news.de

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