Von news.de-Redakteur Andreas Schloder - Uhr

Gicht: Ein Leben mit Gicht ist keine Pflicht

Was haben Millionen Deutsche mit Goethe, Churchill und Franz Josef Strauß gemein? Die Gicht. Die schleichende Volkskrankheit an den Gelenken ist ein Indiz für Wohlstand. Um sie zu vermeiden, hilft nur, die Ernährung umzustellen. News.de hat Rat.

Wenn plötzlich ein Gichtanfall auftritt, hilft nur, dass gerötete,  überwärmte und geschwollene Gelenk ruhig zu stellen und zu kühlen. (Foto) Suche
Wenn plötzlich ein Gichtanfall auftritt, hilft nur, dass gerötete, überwärmte und geschwollene Gelenk ruhig zu stellen und zu kühlen. Bild: dpa

Entzündete, geschwollene Gelenke, die kaum noch Bewegung ohne Schmerz erlauben? Dann ist meist ein Gichtanfall verantwortlich. «In Deutschland leiden rund zwei Prozent der Bevölkerung, oft unerkannt, an Gicht», schreiben die Diätassistenten Christiane Weißenberger und Sven-David Müller in ihrem Buch Das große Gicht-Kochbuch. Dabei sei die Zahl der Gefährdeten noch viel höher: Jeder Fünfte hat ihrer Meinung nach einen erhöhten Harnsäurespiegel, der als Auslöser für die Gichtanfälle gilt.

Die Volkskrankheit ist mehr als tückisch: Bis zu 20 Jahre entwickelt sie sich heimlich, bis sie sich mit einem Anfall schmerzhaft zu Wort meldet. «Der Krankheitsausbruch erfolgt meist zwischen dem 45. und 60. Lebensjahr, vorwiegend bei Männern. Frauen hingegen müssen erst mit einem Ausbruch der Erkrankung ab dem 65. Lebensjahr rechnen», so Weißenberger und Müller. Bis zu den Wechseljahren sei das zarte Geschlecht hormonell bedingt gut vor erhöhten Harnsäurewerten geschützt.

Trotzdem werden die Patienten immer jünger, denn die Gicht kommt oft mit Bluthochdruck und Störungen im Fettstoffwechsel. Aber auch im Zusammenhang mit Altersdiabetes tritt die Krankheit auf. Hier spricht man von einem metabolischen SyndromKombination aus verschiedenen Erkrankungen oder Symptomen. Vier Faktoren kennzeichnen es: Übergewicht, Insulinresistenz, Bluthochdruck und hohe Blutfettwerte. .

Was passiert im Körper?

Gicht ist die Folge von Ernährungssünden wie übermäßigem Alkoholkonsum, Überernährung mit daraus resultierendem Übergewicht sowie purinreichen Lebensmittelz. B. Innereien, Fleisch, Sojabohnen, Kalbsbries ... . Letztere stören den Stoffwechsel. Das läuft so ab: Purine sind Bestandteile der Erbinformationen jeder Zelle. Das heißt, sie kommen in tierischer als auch pflanzlicher Nahrung vor. «Beim Abbau der Purine aus der Nahrung entsteht Harnsäure», erklären die Diätassistenten.

Normalerweise wird die Harnsäure als Abfallprodukt über die Nieren ausgeschieden. Aber: Der eigene Körper baut ebenso Purine ab. Problematisch wird es, wenn das eigene Gewicht nicht stimmt. Beispiel: Je dicker eine Person ist, umso mehr Körperzellen sterben ab und desto mehr Harnsäure wird in Folge des Zellenabbaus produziert. Infolge dessen kann der Organismus nur eine begrenzte Menge an Harnsäure ausscheiden.

Wer hingegen radikal abspecken will, tut seinem Körper in Bezug auf den Harnsäurespiegel ebenfalls nichts Gutes: Bei Nulldiäten oder einer Nahrungsaufnahme unter 1200 Kilokalorien am Tag sterben vermehrt Zellen im Körper ab - die Konzentration der Harnsäure nimmt zu.

Ist der Pegel des Abfallprodukts permanent erhöht, können aus der nicht ausgeschiedenen Harnsäure Kristalle entstehen, die sich nicht mehr auflösen lassen. Diese Ablagerungen setzen sich vorwiegend an den Gelenken und im Gewebe um die Knochen herum fest. Bis zu 40 Prozent aller Kristalle lagern sich in der Niere ab und stören deren Funktion nachhaltig. Das kann Harnstau und Infektionen auslösen. Die auskristallisierten Steine können sogar die Niere verschließen - eine Nierenkolik ist die schmerzhafte und lebensbedrohliche Konsequenz.

Doch bevor das der Fall ist, haben speziell die Gelenke einen langen Leidensweg hinter sich. Die Ablagerungen reizen sie und das Gewebe so lange, bis diese sich entzünden - der typische Gichtanfall. «Zunächst schwillt das betroffene Gelenk stark an. Es wird so prall, dass die Haut glänzend gespannt wird», erklären Müller und Weißenberger. Vom Schmerz ganz zu schweigen. Durch den Druck, der von der Schwellung und der gespannten Haut ausgeht, wird das entzündete Gelenk noch weiter zusammengedrückt - die Schmerzen gehen ins Unermessliche.

«Auch das Allgemeinbefinden ist bei einem Gichtanfall stark beeinträchtigt, man fühlt sich richtig krank. Fieber und erhöhter Puls kommen oft hinzu und in vielen Fällen auch Kopfschmerzen», beschreiben die Experten die Auswirkungen. Ein akuter Gichtanfall dauert ihnen zufolge bis zu vier Tage an. Die ersten Gichtanfälle treten in der Regel in Intervallen von einem halben bis zu einem Jahr auf.

Die Ernährung als Dauertherapie

Bei Gichtanfällen gibt es zwar Medikamente, die für Linderung sorgen. Langfristig hilft jedoch nur, die Ernährung umzustellen. Betroffene müssen darauf achten, täglich möglichst wenig purinreiche Kost zu sich nehmen. Der Grenzwert von 500 Milligramm an Harnsäure sollte nicht überschritten werden - bei einem Gichtanfall dürfen es nicht mehr als 300 Milligramm sein.

Es sollten nicht mehr als 100 Gramm Fleisch, Innereien und Wurstwaren pro Tag  verzehrt werden. Ebenso gilt: Finger weg vom Alkohol. Der ist purinreich und hemmt das Ausscheiden von Harnsäure.

Gemüse und Obst sind unbedenklich, obwohl auch sie Purine enthalten. Doch die Konzentration ist im Vergleich zu tierischen Produkten geringer. Zudem sollten Gichtpatienten mehr als 2,5 Liter Flüssigkeit am Tag trinken, um die überschüssige Harnsäure sprichwörtlich herauszuspülen.

Generell sollten Gichtpatienten auf Eiweiß sowie Fett weitgehend verzichten. Die Faustregel: Mindestens die Hälfte der Nahrung sollte aus Kohlenhydraten bestehen. Das heißt, pro Kilogramm Körpergewicht sind 3,5 Gramm Kohlenhydraten förderlich. Bei Eiweiß und Fett darf es jeweils nur ein Gramm pro Kilogramm sein.

Welche Lebensmittel für Gichtpatienten geeignet sind, erfahren Sie in der news.de-Bildstrecke.

Was tabu ist, können Sie in einer weiteren Bildstrecke nachschlagen.

Lesetipp: Das große Gicht-Kochbuch, Sven-David Müller, Christiane Weißenberger, Schlütersche Verlagsgesellschaft, 200 Seiten, 24,95 Euro.

ham/rzf/pfj/news.de