Von news.de-Redakteurin Katharina Schlager - Uhr

Kaiserschnitt: Vom Irrglauben der schmerzfreien Geburt

Kaiserschnitte werden immer beliebter. Der Grund: Werdende Mütter hoffen, den Geburtsschmerz zu umgehen. Ein Trugschluss. Der Bauchoperation folgen oft langwierige Beschwerden.

Aus Angst vor den Geburtsschmerzen entscheiden sich immer mehr Frauen für einen Kaiserschnitt. (Foto) Suche
Aus Angst vor den Geburtsschmerzen entscheiden sich immer mehr Frauen für einen Kaiserschnitt. Bild: ddp
Der Kaiserschnitt

Etwa jedes dritte Kind wird in Deutschland per Kaiserschnitt entbunden, anstatt auf natürlichem Weg durch den Geburtskanal das Licht der Welt zu erblicken. Doch nicht in allen Fällen ist die Bauchoperation medizinisch notwendig oder ärztlich empfohlen. (Schauen Sie sich dazu unsere Grafik zum Kaiserschnitt an.)

Das Spektrum der Gründe, warum sich eine Frau für den Kaiserschnitt entscheidet, ist vielfältig, meint Dr. Sven Seeger, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Halle an der Saale. Wer sein Kind per Wunschkaiserschnitt zur Welt bringt, kann den Termin passgenau ins eigene Berufsleben und das des Partners eintakten und dafür sorgen, dass bereits vorhandene Kinder versorgt sind, wenn die Krankenhaustasche im Auto landet.

Doch ausschlaggebend für den Schnitt sei häufig die Angst vor dem Geburtsschmerz. «Schmerzangst ist ein ganz wesentlicher Grund bei vielen Frauen, die sich für einen Kaiserschnitt entscheiden», so Seeger. Dabei sei es ein großer Irrtum, dass dieser Eingriff der schmerzfreie Weg ist. «Sicherlich ist eine Geburt schmerzintensiv», sagt Seeger. Aber: Viele Frauen könnten sich gar nicht vorstellen, dass das Schmerzempfinden während der Geburt unter Einfluss von Hormonen, neurologischen Botenstoffen und Anspannung anders empfunden wird und sogar positiv verarbeitet werden kann.

Postoperativer Schmerz ist lang und intensiv

Und: Der Schmerz einer normal verlaufenden, natürlichen Geburt sei wesentlich kürzer als beim Einsatz eines Skalpells. Denn der Kaiserschnitt unter Narkose sei zwar schmerzfrei, dafür zahlen frischgebackene Mütter anschließend unter Umständen einen hohen Preis. Postoperative Schmerzen können sich über Tage, in einzelnen Fällen auch Wochen und Monate hinziehen und durchaus intensiv sein.

Welche Entbindungsart schmerzhafter ist, lasse sich nicht pauschal beantworten, sagt Seeger. Das hänge von zu vielen Faktoren ab. Wie etwa Geburtsverlauf, individuelles Schmerzempfinden sowie die Schmerztherapie und Betreuung während und nach der Geburt.

Das Argument, eine Frau sei so schmerzempfindlich, dass sie die Geburt grundsätzlich nicht durchstehen würde, hält Seeger für falsch. «Eine normale, gut geleitete Geburt ist von jeder Frau überstehbar», betont Seeger. Zumal es nicht nur eine Wahl zwischen Kaiserschnitt mit Narkose und natürlicher Geburt ohne alles sei, betont der Mediziner. Schließlich gebe es sehr wirksame Schmerztherapien, wie etwa die PDAPDA ist die Abkürzung für Periduralanästhesie. Es handelt sich dabei um eine Form der Regionalanästhesie, die durch Punktion an der Wirbelsäule durchgeführt wird. , die während der Normalgeburt erfolgreich zum Einsatz kommen können, sodass diese im Idealfall fast schmerzfrei verlaufen kann.

Doch der PDA bei einer natürlichen Geburt wird nicht genauso viel Vertrauen entgegen gebracht, wie einer Voll- oder Teilnarkose beim Kaiserschnitt. Im Bundesdurchschnitt werden nur 20 Prozent der Normalgeburten durch eine PDA erleichtert. Der Grund für das Misstrauen: Die Nebenwirkungen und RisikenZu Nebenwirkungen der PDA gehören Kopfschmerzen, die in ganz seltenen Fällen über mehrere Tage anhalten können und Blutdruckabfall. Wird die Nadel zu tief oder falsch gesetzt, kann dies zur Verletzung des Rückenmarks oder zu Blutergüssen sowie zu Herzstillstand führen. , die Seeger für vergleichbar gering hält, werden unter den Frauen überbetont und überbewertet.

Der Einfluss der Reichen und Schönen

Die öffentliche Wahrnehmung des Kaiserschnitts als schmerzarme Entbindungsvariante werde zudem durch die Reichen und Schönen geprägt. «Ich glaube zwar nicht, dass sich eine Frau dafür entscheidet, um einer Britney Spears nachzueifern», sagt Seeger. Aber weil Promis wie Spears oder Angelina Jolie schon zwei Tage nach der Geburt lächelnd mit perfektem Make-Up und Baby im Arm die Titelseiten zieren, werde immer wieder suggeriert, wie unkompliziert die Skalpell-Variante sei. «Die Risiken werden an dieser Stelle natürlich nicht diskutiert.»

Und diese Risiken seien nicht gering. So können Verwachsungen zu chronischen Beschwerden führen und den Traum vom Nachwuchs ohne Schmerzen platzen lassen. Zwar sei die Sterblichkeitsrate genauso hoch wie bei Normalgeburten, aber das Thromboserisiko sei um ein Fünffaches höher. Zudem kann es zu Wundheilungsstörungen und Infektionen kommen, angrenzende Organe, etwa die Harnblase, könnten verletzt werden. Das Risiko für nachfolgende Schwangerschaften steigt ebenfalls. So kann die innere Narbe an der Gebärmutter während der Geburt oder schon während der Schwangerschaft reißen, die Plazenta Die Plazenta wird auch als Mutterkuchen bezeichnet und bildet sich während der Schwangerschaft in der Gebärmutter. Das Kind wird während der Schwangerschaft über die Plazenta mit Nährstoffen versorgt. Die Verbindung zwischen Platzenta und Fötus erfolgt über die Nabelschnur. Die Plazenta wird nach der Geburt des Kindes als sogenannte Nachgeburt geboren. oder auch der Fötus Als Fötus wird ein Baby ab der neunten Schwangerschaftswoche bezeichnet. In den Wochen davor spricht man von einem Embryo. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Stadien: Beim Fötus wurden bereits die inneren Organe angelegt. können sich in der Narbe einnisten, sodass die Schwangerschaft im schlimmsten Fall abgebrochen werden muss.

Aber nicht nur der Körper der Mutter wird Risiken ausgesetzt. Auch den Kindern tut man mit einem unnötigen Kaiserschnitt keinen Gefallen, da sich das Risiko für Asthma, Allergien und Diabetes erhöht. Auch können Babys direkt nach der Geburt große Schwierigkeiten mit der Atmung haben und müssen schlimmstenfalls künstlich beatmet werden.

Wichtig: ein aufklärendes Gespräch

Für Dr. Sven Seeger gehört zu einer optimalen Geburtsvorbereitung ein intensives, aufklärendes Gespräch. Schließlich habe ein Kaiserschnitt auch ernstzunehmende Vorteile. Wie etwa die Garantie, dass der Genitalbereich intakt bleibt und ein Dammriss – oder präventiver Dammschnitt Der Dammschnitt wird bei einem schwierigen Geburtsvorgang präventiv gesetzt, um einem eventuellen Dammriss zuvorzukommen und die Geburt zu erleichtern. Der Schnitt erfolgt während einer Presswehe. – von vornherein ausgeschlossen ist. Im Normalfall schlagen aber die Waagschalen zu Ungunsten eines Kaiserschnittes aus, so Seeger.

Den Luxus der ausführlichen Beratung in mindestens zwei Gesprächsterminen
könne sich aber nicht jedes Krankenhaus leisten, räumt der Mediziner ein. Deshalb geben viele Ärzten den Wunschkaiserschnitten auch ohne medizinische Indikation unnötig schnell nach.

Auch wenn Seeger die Normalgeburt für die bessere Entscheidung hält, könne der Kaiserschnitt in verschiedenen Fällen eine gute Alternative darstellen. Etwa, wenn eine Frau bereits bei einer vorhergehenden Geburt durch starke Schmerzen ein Geburtstrauma erlebt hat oder das Kind sich in einer BeckenendlageVon einer Beckenendlage wird gesprochen, wenn das Kind sich kurz vor der Geburt nicht mehr in die richtige Geburtslage – mit dem Kopf nach unten – gedreht hat und stattdessen sich der Kopf am oberen Rand der Gebärmutter befindet. Eine Spontangeburt auf natürlichem Weg ist zwar auch bei dieser Kindslage möglich, bringt aber einige Risiken mit sich. Je nachdem wie weitere Faktoren ausfallen, wird bei der Beckenendlange häufig ein Kaiserschnitt angewendet, um das Kind auf die Welt zu holen. befinde. Dann müsse man die Risiken gegeneinander abwägen. Aber letztendlich müsse immer die Schwangere selbst entscheiden, welche Variante für sie die beste ist.

kas/ham/news.de

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