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Vergiftungsgefahr: Todesfalle Grill

Das Wetter ist schlecht - die Lust auf Grillfleisch dennoch vorhanden. Eine brenzlige Mischung. Experten schlagen jetzt Alarm: Die Zahl lebensgefährlicher Kohlenmonoxid-Vergiftungen durch Grillen in Räumen hat stark zugenommen.

Vergiftungsgefahr durchs Grillen im Wohnzimmer. (Foto) Suche
Vergiftungsgefahr durchs Grillen im Wohnzimmer. Bild: ddp

Nach einer Untersuchung von elf deutschsprachigen Giftinformationszentren wurde deren Hilfe im Zeitraum 2000 bis 2009 wegen 60 Kohlenmonoxid-Unfällen in Anspruch genommen. Zehn Menschen starben an dem eingeatmeten Gift, darunter ein 14-jähriger Junge. Weitere 17 schwebten zeitweilig in Lebensgefahr. Während im Jahr 2000 nur ein Unfall mit zwei Verletzten registriert wurde, waren es 2009 bereits 34 Betroffene.

Die meisten Unfälle sind Folge unvorsichtigen Grillens mit Holzkohle. «In einigen Fällen wurde das Grillvergnügen wegen schlechten Wetters auf den verglasten Balkon oder in die Garage verlegt», berichtet der Leiter des Gemeinsamen Giftinformationszentrums der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, Helmut Hentschel. «Andere wollten den noch glühenden Grill als zusätzliche Wärmequelle im Zimmer oder in der Gartenlaube nutzen.»

Doch damit setzen die Grillfreunde ihr Leben aufs Spiel, warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung. Früher sei das Risiko einer Vergiftung bei offenem Feuer gut bekannt gewesen, sagt Instituts-Präsident Andreas Hensel. Heute ist die damit verbundene Gesundheitsgefährdung durch das Einatmen der Brand- und Rauchgase offensichtlich in Vergessenheit geraten.

Tödliche Wirkung bereits nach 30 Minuten

Das beim Verbrennen der Holzkohle in Innenräumen entstehende Kohlenmonoxid kann nach Experimenten des Instituts der Feuerwehr Sachsen-Anhalt bereits nach 30 Minuten tödlich wirken. Die Wissenschaftler hatten in einem etwa 35 Kubikmeter großen Container, der der Größe eines Gartenbungalows oder eines Wintergartens entspricht, einen glühenden Grill gestellt und die Kohlenmonoxid-Konzentration gemessen.

Das Fazit: Glimmende Grillbriketts verwandelten den Raum innerhalb weniger Minuten in eine Todesfalle. Anfang vergangenen Jahres war ein Liebespaar bei einem Schäferstündchen gestorben. Untersuchungen ergaben, dass die beiden nach anderthalb Stunden in dem Zimmer mit dem noch glühenden Grill tot gewesen sein müssen. Zwei Männer, die Gäste einer Grillparty waren, konnten gerade noch gerettet werden, erlitten aber schwere Hirnschädigungen.

Warnung vor Tischgrills

Gewarnt wird ausdrücklich vor den neuerdings angebotenen kohlebeheizten Tischgrills. Fernsehwerbespots demonstrierten Holzkohle-Grillaktionen im Wohnzimmer, kritisiert das Bundesinstitut für Risikobewertung. Familien hätten diese Werbeaktion missverstanden. Mindestens drei Kinder und deren Eltern mussten wegen einer Kohlenmonoxidvergiftung im Krankenhaus behandelt werden. Diese Geräte seien «grenzwertig kriminell», schimpft der Erfurter Giftexperte Hentschel. Der Magdeburger Rechtsmediziner Reinhard Szibor, der innerhalb eines Jahres acht Kohlenmonoxid-Opfer obduzieren musste, nennt sie «Tötungsutensilien». Er plädiert dafür, alle Geräte zum Grillen mit deutlichen Warnhinweisen zu versehen.

Kohlenmonoxid entsteht bei der unvollständigen Verbrennung vom kohlenstoffhaltigem Material. Bei mangelhafter Luftzufuhr, so auch in geschlossenen Räumen, ist der Anteil der unvollständig verbrannten Kohle besonders riskant und das Risiko einer Vergiftung erhöht. Da Kohlenmonoxid farb- und geruchlos ist, ahnt der Betroffene nichts von der Gefahr. Nach dem Einatmen wird das Gift rasch über die Lunge aufgenommen.

Kohlenmonoxid ist ein Blutgift und bindet sich an den Blutfarbstoff der roten Blutkörperchen, das Hämoglobin. Die Blutkörperchen haben eigentlich die Aufgabe, Sauerstoff aus der Atemluft zu binden und in alle Organe des Körpers zu transportieren. Allerdings ist die Bindungsfreudigkeit von Kohlenmonoxid an den roten Blutfarbstoff 200- bis 250 Mal stärker als von Sauerstoff.

Schon bei einem Kohlenmonoxidanteil von 0,1 Prozent in der Atemluft wird etwa die Hälfte der roten Blutkörperchen für den Sauerstofftransport blockiert. Bei einem Atemluftanteil von über einem Prozent tritt binnen ein bis zwei Minuten der Tod ein, warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung.

Haut hellrot gefärbt

Erste Alarmzeichen einer Vergiftung sind Kopfschmerzen, Schwindel, Ohrensausen, Sehstörungen, Erbrechen, Kurzatmigkeit und Muskelschwäche. Bei mittelschweren bis schweren Vergiftungen ist die Haut typisch hellrot gefärbt. Anfangs treten Erregungszustände auf, später kommt es zu Bewusstseinstrübungen bis zum tiefen Koma, Krampfanfällen, Herzrhythmusstörungen bis zum Kollaps. Die hellrote Hautfarbe bei mittelschweren Vergiftungen verleitet oft dazu, die Schwere des Falles zu verkennen. Experten gehen deshalb von einer erheblichen Dunkelziffer nicht erkannter Kohlenmonoxid-Vergiftungen aus.

Therapiert wird vorrangig, rasch und großzügig mit Sauerstoff. In schweren Vergiftungsfällen sowie bei Kindern und Schwangeren wird die Sauerstofftherapie in der Überdruckkammer empfohlen. Damit muss so schnell wie möglich begonnen werden. Wenn eine Therapie erst später als sechs Stunden nach der Vergiftung gestartet wird, lassen sich Langzeitfolgeschäden nicht mehr vermeiden.

naf/sca/news.de/ap

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